Vom 4. bis 6. Juli 2014 fand in Löbnitz im Norden von Sachsen wieder einmal das With Full Force Festival auf dem Flughafenplatz Roitzschjora statt. Die Deadline war dieses Jahr als offizieller Partner dabei. Als Filmfans waren wir insbesondere auf den Auftritt von Headliner ROB ZOMBIE (THE LORDS OF SALEM, THE DEVIL’S REJECTS) gespannt, der auf dem WFF das Finale seiner “Zombie Horror Picture Show” Europatour feierte. An dieser Stelle sollte nun das Interview folgen, das wir als Ergänzung zum Wortwechsler in der letzten Ausgabe auf dem Festival mit Mr. Zombie führen wollten. Im Mittelpunkt des Gesprächs sollte die Bühnenshow stehen. Doch leider platzte der Termin in letzter Sekunde aus logistischen Gründen, und das müssen wir wohl in die Kategorie “dumm gelaufen” einordnen. Unser Redakteur vor Ort hat sich ganz umsonst vor Aufregung fast in die Hose gemacht – aber sonst ein ereignisreiches Festival erlebt.
Das With Full Force, das mit rund 30.000 Besuchern gerade noch keine aberwitzigen Dimensionen annimmt, gehört in Deutschland zu den populärsten Festivals härterer Gitarrenmusik und hat sich insbesondere bei Fans aus der Hard- und Metalcore-Szene als feste Größe etabliert. Und selbst wenn auch hier der Jägermeister Gasthof über das Gelände röhrt und es aussieht wie bei fast allen anderen Festivals auch, hat sich das WFF seinen eigenwilligen Charme erhalten. Ja, es ist etwas besonders. Mein letzter Besuch liegt zugegebenermaßen bereits einige Jahre zurück. Ungefähr so lange, dass das Zelt der persönlichen Bequemlichkeit weichen muss und meine beiden Mitstreiter und ich für den Festivalbesuch eine Unterkunft im benachbarten Dorf wählen. Mit Hollywoodschaukel im Garten und so, yeah, Rock’n’Roll. Nicht so recht ins Bild der Bequemlichkeit passt wiederum die Entscheidung, am ersten Festivaltag mit dem Fahrrad ans Gelände zu fahren.
Acht Kilometer bei 35 Grad fordern ihren Tribut, sodass unser Trio die großartigen BEING AS AN OCEAN und auch OF MICE & MEN verpasst, die als erste Bands in der Tentstage spielen. Die ist bei den melodischen Metalcore-Schnuckis BLESSTHEFALL zu Recht proppevoll, die Menge mosht mit guter Laune. Die meisten Besucher sind derweil vor allem an einem Schattenplatz interessiert, denn die Sonne bolzt mindestens so gnadenlos herunter wie die Jungs von THE BLACK DHALIA MURDER und KATAKLYSM, die das Publikum vor der Mainstage beschallen. Übrigens das Publikum: Die Mehrheit der Besucher dürfte aufgrund der zahlreichen Metalcore-Bands angereist sein, der Impericon-Stand wird zeitweise zur Pilgerstätte. Auf jeden Fall sind Menschen ohne Tattoos deutlich in der Unterzahl, was nichts Schlechtes ist, und viele Ohrlöcher hat die Dehnsucht gepackt.
Für beste Stimmung am Nachmittag sorgen die walisischen Reggae-Metaler von SKINDRED, die dem WFF auch den ersten und wohl einzigen “Harlem Shake” bescheren. Im Anschluss wird das Festivalprogramm für die Übertragung eines offensichtlich sehr populären Fußballspiels unterbrochen. Danach sind alle Menschen noch ein bisschen glücklicher, singen mit den heute leider etwas dünn klingenden CALLEJON deutsches Kreischgut und fallen sich bei einer Wall of Death glücklich in die Arme. Die Holländer von DISCIPLINE sind mit ihrem punkigen Hardcore seit Jahren OI!dschool unterwegs und erfreuen speziell die Veteranen im Publikum. Bei HATEBREED, die beim WFF viele Fans haben, verschwindet Abwechslungsreichtum in einer prollig geballten Faust, die sich groovend durch die feiernde Menge pflügt. HATEBREED eben. Es fällt angenehm auf, dass die Zahl der “Violent Dancer” vergleichsweise gering bleibt. Groovy und mit ordentlich Druck auf den Eiern spielen auch die Freitags-Headliner der Tentstage EMMURE, während sich bereits viele Festivalbesucher vor der Mainstage versammeln, wo VOLBEAT kurz darauf ein massentaugliches Rockstarset abfackeln. Aber irgendwie nichts Besonderes. Das gibt es bei der Knüppelnacht mit frickligem Death Metal von NILE. Zum Abschluss des ersten Festivaltags gesellt sich eine abenteuerliche Heimfahrt zur Unterkunft, da die einzig funktionierende Fahrradlampe nur stroboskopartiges Licht liefert und die Nacht außerhalb des Festivalgeländes im beschaulichen Löbnitz dunkler als Black Metal ist. Das plötzlich auftauchende Reh erschreckt uns fast so wie der grelle Lichtkegel einer nahenden Polizeikontrolle. Daheim hat der Vermieter Kirschen vor die Tür gestellt.
WFF 2014 DAILY REPORT – FRIDAY from With Full Force.
Der Samstag bringt etwas Regen und ist deutlich weniger heiß, was auch deutlich mehr Menschen in die Pits lockt. Jene von CARNIFEX, deren neues Album “Die Without Hope” mit enormem Aggressionspotenzial in den Nachmittag hineinsägt, entfesselt die bisher schönste der berühmten WFF-Sandstaubwolken. WALLS OF JERICHO ziehen im Anschluss ein großes Publikum vor die Mainstage, das Frontfrau Candace Kucsulain gewohnt gekonnt niederschreit. Die Melodic-Hardcore-Band IGNITE tourt seit sieben Jahren ohne neues Album, insofern bleiben Überraschungen aus. Aber IGNITE mit dem sympathischen Frontmann Zoltán “Zoli” Téglás geht immer. Für Dezember hat die Band neues Material angekündigt und spielt einen Song davon. Dazu gibt es Weltverbesserungs-
botschaften vom Bono des Hardcore und Gänsehaut beim Chor zu “Live for Better Days”. In der erneut gut gefüllten Tentstage stimmen die popcorigen WE CAME AS ROMANS auf das Partygegrunze von WE BUTTER THE BREAD WITH BUTTER ein. Die Jungs sind mittlerweile die DEICHKIND des Deathcore und werden ihrer Rolle als Co-Headliner durchaus gerecht, wenn auch nicht jeder im Publikum etwas mit Klassikern wie “Schlaf Kindlein Schlaf” anfangen kann. Auf der Hauptbühne haben AMON AMARTH mit guter Laune und zwei Drachenbooten angelegt. Wer Met gekauft hat, trinkt ihn jetzt. Dazu gibt es Pyroeffekte und unterhaltsame Kommentare von Sänger Johan Hegg, die bei den zwei Mädels neben mir verzücktes Jauchzen auslösen: “Singt mit, auch wenn ihr den Text nicht kennt. Das ist Death Metal, da versteht sowieso niemand was.” Und dann ROB ZOMBIE. Einige Tage zuvor hatte er bei einem Konzert in Luxemburg davon gesprochen, dass er einen Clubgig einem Festivalauftritt vorzieht. Davon lässt er sich auf dem WFF natürlich nichts anmerken und liefert die Show, die alle erwarten. Der drahtige Entertainer weiß, wie man sich als Rockstar mit Gesten und Posen in Szene setzt, das Publikum anfeuert und involviert. Er sucht die Nähe zu den Fans (das ist allerdings fester Teil des Programms), kalauert und berücksichtigt mit der Setlist auch WHITE ZOMBIE. Leider fährt Zombie nicht alle Gimmicks auf, die in seinem Konzertfilm THE ZOMBIE HORROR PICTURE SHOW zu sehen sind. Und nein, es werden auch keine blanken Busen in den ersten Reihen präsentiert.

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