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TERENCE HILL IM INTERVIEW ZU MEIN NAME IST SOMEBODY

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(c) KSM Film

Der Weg vom Nobody zum Somebody führt nur über die linke und die rechte Hand des Teufels – im Gespräch mit Terence Hill

 

Mario Girotti wurde 1939 in Venedig als Sohn einer Deutschen und eines Italieners geboren. Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte er jedoch in Lommatzsch nahe Dresden. Regisseur Dino Risi entdeckte ihn in den 50ern beim Schwimmen, und Girotti spielte erste Nebenrollen. Der Ritterschlag zum Schauspieler erfolgte 1963 als Graf Cavriaghi in Luchino Viscontis DER LEOPARD. Daraufhin rief ihn die alte Heimat, und er war u. a. in einigen Karl-May-Verfilmungen und Harald Reinls Zweiteiler DIE NIBELUNGEN als Giselher zu sehen. Wieder zurückgekehrt nach Italien, begann ebenjene Karriere, für die der Mann mit den blonden Löckchen und meerblauen Augen, der anfangs für einige Regisseure nur als Franco-Nero-Ersatz fungierte, heute legendär ist. Für den Italowestern GOTT VERGIBT … DJANGO NIE! (1967) legte er sich auf Anraten der Produktion den Namen Terence Hill zu – und spielte eine Figur mit dem Namen Cat Stevens! Mindestens genauso wichtig wie seine Namensänderung war jedoch, dass dies der erste Film war, in dem er und Carlo Pedersoli, nun Bud Spencer, zusammen die beiden Hauptrollen übernahmen – zuvor hatten beide bereits kleinere Parts in HANNIBAL. Ihre ersten Filme waren – zumindest im italienischen Original – noch ernsthaft angelegt, doch man begann, immer mehr Gewinn aus dem komödiantischen Potenzial des ungleichen Duos zu schlagen. Vor allem in Deutschland wurden die Bud-Spencer-und-Terence-Hill-Filme durch die berühmten Rainer-Brandt-Synchros zu absurden Spruchfeuerwerken, die heute Kult sind. Ihre Filme – zu Beginn ausschließlich Western, später auch in anderen Settings – waren die erfolgreichsten in Europa in den 70ern und 80ern und spülten immense Summen in die Kassen der Filmschaffenden und Kinobetreiber – vor allem hierzulande. Hill versuchte sich immer wieder auch an einer Solokarriere, und obwohl Tonino Valeriis MEIN NAME IST NOBODY sehr erfolgreich war, wollte das Publikum ihn doch am liebsten an der Seite von Bud Spencer sehen. Ein Ausflug nach Hollywood für MISTER BILLION und MARSCHIER ODER STIRB war nur von kurzer Dauer. Nach dem Abebben der Popularität der neuen Filme des Duos in den späten 80ern und 90ern feiert Hill seit der Jahrtausendwende große Erfolge auf dem TV-Bildschirm mit der Verkörperung des Don Matteo in der gleichnamigen Serie. Mit MEIN NAME IST SOMEBODY schließt sich nun ein Kreis, der sich vor über 50 Jahren geöffnet, Filmgeschichte geschrieben und die kulturelle Sozialisation von Generationen geprägt hat.

 

DEADLINE: Wer spricht Sie noch als Mr. Girotti an?

 

Terence Hill: Fast niemand.

 

DEADLINE: Wie gut erinnern Sie sich noch an Ihre frühe Kindheit in Lommatzsch?

 

Terence Hill: Sehr gut. Die Erinnerungen an die Kindheit bleiben für immer, sie haben den größten Einfluss auf das eigene Leben. So glücklich wie in ganz jungen Jahren ist man später nie wieder.

Ich habe auch den Krieg in Deutschland erlebt. Darüber rede ich nicht gerne, aber ich möchte ein Buch darüber schreiben. Aber dafür muss ich mir richtig Zeit nehmen, denn zu diesem Thema schreibt man nicht auf die Schnelle, und es geht auch nicht ums Verkaufen, sondern darum, eine echte Meinung und Erfahrung dazu zu haben.

Mein Vater war Italiener und arbeitete als Chemiker in einer Fabrik in Dresden, meine Mutter hat in Dresden Kunst studiert und war eine sehr gute Malerin. Wir sind dann nach Italien zurückgegangen, da mein Vater dort einen Job gefunden hatte.

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DEADLINE: Was denken Sie, warum Sie gerade in Deutschland so beliebt sind?

 

Terence Hill: Man sagt, dass mein Schauspiel sehr fröhlich, lebhaft und erfrischend ist, und führt das auf meinen italienischen Vater zurück. Das ist aber ein Trugschluss. Mein Vater hat gar nicht gesprochen, er hat bloß gelesen und studiert. Meine Mutter hatte dieses Temperament, das habe ich alles von ihr. Sie wollte, dass ich Schauspieler werde. Weil wir kein Geld hatten, hat sie etwas von einer Freundin geliehen und mich als Kind auf ein Pferd gesetzt – es scheint, als wollte sie schon damals, dass ich mal ein Cowboy werde.

 

DEADLINE: Worum geht es in MEIN NAME IST SOMEBODY?

 

Terence Hill: Es geht um einen älteren Mann, der Abstand von seinem Alltag gewinnen möchte und nach etwas sucht. Es wird nie konkret gesagt, was er eigentlich finden möchte, aber ich hoffe, dass man das trotzdem versteht.

 

DEADLINE: Im Film liest Ihre Figur ein Buch von Carlo Corretto.

 

Terence Hill: Ja, ich habe einige Bücher von ihm gelesen und mag ihn sehr. In den USA kann man sehr viele Bücher von ihm bekommen, aber in Italien findet man ihn kaum, die Kirche mag ihn dort nicht so sehr. Er ist für zehn Jahre in die Wüste gegangen, um nachzudenken. Dabei geht es nicht um die katholische Kirche oder den Staat – das ist, was mir so gefällt. Die Einfachheit.

 

DEADLINE: Der Film ist Bud Spencer gewidmet.

 

Terence Hill: Als wir mit den Arbeiten an dem Film begonnen haben, har er noch gelebt. Als wir in Almería nach Locations für den Dreh gesucht haben, wollten wir einen Ort, an den man sich immer erinnern würde – so wie in PSYCHO das Haus auf dem Berg. Der Bühnenbildner hatte einen Platz ausgemacht, der ihm gefiel, aber ich meinte, dass man sich doch noch mehr umsehen müsse. In diesem Moment hat mein Handy geklingelt. Am Telefon war Buds Sohn, der mir sagte, dass sein Vater von uns gegangen ist. Ich war tieftraurig, und doch freute ich mich auf einmal, denn es war wie eine Botschaft von Bud, dass hier, wo ich den Anruf entgegennahm, der richtige Ort für den Film sei, und so entschied ich mich dafür.

Außerdem habe ich in dieser Wüste in Almería Bud Spencer zum ersten Mal getroffen. Anfang und Ende kamen in diesem Moment zusammen.

 

DEADLINE: Hätten Sie ihn gerne auch im Film gehabt, wenn er noch gelebt hätte?

 

Terence Hill: Nein, dann wäre es ein ganz anderer Film geworden, und man hätte die Rollen umschreiben müssen.

 

DEADLINE: In Almería haben Sie damals auch Ihre Frau kennengelernt.

 

Terence Hill: Eigentlich in Rom, aber schon nach einer Woche ist sie mit mir nach Spanien gekommen, um mir mit dem Englisch während des Drehs zu helfen. Als wir zurückgekommen sind, nach zwei Monaten, haben wir bereits geheiratet. Es war eine Art Wette, die aber gut gegangen ist. (lacht)

 

DEADLINE: Wie schwierig ist es, mit 79 noch die Prügelszenen zu spielen?

 

Terence Hill: Ach, das war eigentlich ganz leicht. (lacht) Bei Prügelszenen passiert es immer mal, dass man getroffen wird oder aus Versehen den anderen schlägt, weil man so nah an den Gesichtern dran ist. Bei dem Film ZWEI WIE PECH UND SCHWEFEL hatten sie eigentlich extra eine Bank gebaut, die schneller zerbricht und mich nicht verletzen würde, sie sollte mich erst am Kopf treffen und dann an der Wand kaputt gehen. Sie haben dem Regisseur erzählt, dass sie diese Spezialbank angefertigt hatten, aber er wollte, dass sie eine echte verwendeten! Ich habe mich nicht dagegen verwehrt, und „Bumm!“, hatte ich sie vor den Kopf bekommen und musste blutend ins Krankenhaus. Mit vier Stichen mussten sie die Wunde nähen. Bei Bud haben sie sich so was nicht getraut. Bud war stark kurzsichtig, beim Dreh musste er immer die Brille abnehmen und hat nichts mehr gesehen. Bei den Kämpfen hat er dann immer die anderen Schauspieler und Stuntmen gefragt, wo sie gerade stehen. (lacht) Die hatten Angst, dass sie eine von ihm abkriegen würden!

 

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DEADLINE: Gibt es eine Lieblingserinnerung an Bud Spencer?

 

Terence Hill: Oh, da gibt es viele. Was die Arbeit betrifft, fällt mir ein, dass es da eine Assistentin der Ausstatterin gab, die sehr gut kochen konnte. Um elf hat Bud sie gerufen: „Ida, Ida!“ Ich habe immer mit den beiden in Buds Trailer zu Mittag gegessen, und wir haben auch oft in dem Wohnwagen gemeinsam geschlafen, sogar im selben Bett! Das war eine gute Zeit. Er hat immer gesagt, dass ich mehr esse als er, und sich gefragt, warum ich trotzdem so dünn bleibe. Bud war ein einfacher Mensch.

 

DEADLINE: In Ihrem neuen Film erklingt auch Musik von Ligabue, wie kam es dazu?

 

Terence Hill: Oh, toll, dass es Ihnen aufgefallen ist! (freut sich sichtlich darüber) Wir wollten etwas Zeitgenössisches, womit man sich identifizieren kann. Leider ist die Lizenz sehr teuer, wenn man ein existierendes Lied in einem Film verwenden möchte. Aber es hat sich gelohnt, wir haben viel Musik gekauft, auch klassische. Darüber hinaus hat Pino Donaggio tolle Musik für den Film gemacht. Über eine Zeit von drei Jahren bin ich fast immer mit Sergio Leone zusammen gewesen. Er hat mir gesagt, dass eine Figur in einem Film immer ihre eigene Musik braucht. Also hat für MEIN NAME IST SOMEBODY Pino ein Stück für meine Rolle geschrieben, und das Thema der jungen Frau ist von Schubert.

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DEADLINE: Man hört auch das Requiem von Brahms.

 

Terence Hill: Ja, das mag ich sehr. Schon vor vielen Jahren habe ich gedacht, dass das doch für einen Films sehr stark wäre. Und jetzt fand ich, dass es genau das richtige Stück für den Moment sei, indem er das erste Mal in dieser Wüste ist und nachdenkt.

 

DEADLINE: Wieso machen Sie jetzt diese große Tour durch Deutschland – wo Sie sich doch auch so schön zu Hause zurücklehnen könnten?

 

Terence Hill: Mir wurde gesagt, dass manche Filme in Deutschland nur am Wochenende im Kino gesehen werden. Der Verleiher des Films meinte, dass ich dem Film helfen könnte, von mehr Zuschauern gesehen zu werden. Ich habe gehört, dass es im Moment viele Blockbuster gibt und es ein großer Kampf um die Zuschauergunst ist. Was Kino betrifft, war es vor 30 Jahren leichter, aber wenn ich die Arbeit an meinem Film mit der Arbeit an den Fernsehserien vergleiche, bei denen ich mitspiele, war es bei MEIN NAME IST SOMEBODY wie ein Spaziergang. Für das Fernsehen muss man viermal so schnell arbeiten. Aber nicht nur dort, heute muss man in allen Lebenslagen alles schneller machen.

DEADLINE: In Deutschland sprechen sich die deutschen Darsteller meist selbst. In Italien war es seit jeher gang und gäbe, dass die Schauspieler auch in ihrer Muttersprache synchronisiert werden. Erst in den letzten Jahren hat sich das verändert.

 

Terence Hill: Das hat immer gut funktioniert, und man hat das gemacht, da es zu teuer gewesen wäre, den Ton am Set aufzunehmen. Und wenn zum Beispiel gerade ein Flugzeug über das Set geflogen wäre, hätte man alles noch mal drehen müssen. Auch ein Fellini oder Visconti hat alles nachträglich synchronisiert. Durch das Fernsehen hat man begonnen, die Darsteller sich selbst sprechen zu lassen – Gott sei Dank. Und das Publikum mag es und schätzt es inzwischen, die echten Stimmen zu hören. Für mich hat es mit DON MATTEO angefangen, meinen Text auch selbst einzusprechen.

 

DEADLINE: Wie halten Sie sich so jung?

 

Terence Hill: Ich mache gar nichts. Das sind die Gene meines Vaters.

 

DEADLINE: In ihrer Filmografie stößt man auf einen sehr obskuren Film mit dem Titel ORG von 1979. Über ihn ist nicht viel bekannt, und es hat angeblich zehn Jahre gedauert, bis er fertiggestellt wurde. Ein experimenteller Film, der kaum bekannt und selten zu sehen ist, von dem Argentinier Fernando Birri. Sie haben ihn sogar mitproduziert.

 

Terence Hill: Zu dieser Zeit war alles experimentell. Birri hatte mich gebeten, bei seinem Film mitzuwirken, aber später wollte ich nichts mehr damit zu tun haben. Birri war ein Intellektueller.

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DEADLINE: In Italien ist eine Eisdiele nach Ihnen benannt.

 

Terence Hill: Ja, die befindet sich in einem uralten historischen Komplex, wo es noch viele andere Geschäfte gibt. Man hat mich gefragt, ob ich ihnen meinen Namen leihen würde, und ich habe Ja gesagt, damit dadurch vielleicht auch die anderen Geschäfte dort einen besseren Zulauf haben.

 

DEADLINE: Wie werden Sie Ihren 80. Geburtstag feiern?

 

Terence Hill: Ich möchte ihn gerne in Island feiern und dort wandern. Ein Freund von mir war dort und hat mir erzählt, wie wunderbar es war, dort auf dem Eis zu laufen. Man muss jetzt dahin gehen, bevor alle anderen Touristen sich dort einfinden.

 

DEADLINE: Vielen Dank für Ihre Zeit und den Einblick in Ihr Leben!

 

Interview von Leonhard Elias Lemke

 

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MEIN NAME IST SOMEBODY – ZWEI FÄUSTE KEHREN ZURÜCK

OT: IL MIO NOME È THOMAS

Regie: Terence Hill / Italien 2018 / 96 Min.

Darsteller: Terence Hill, Veronica Bitto

Produktion: Jess Hill

Verleih: KSM, 24 Bilder

Freigabe: FSK 6

Start: Bereits gestartet