Bereits seit zwanzig Jahren umspielt eine knackige SUMMER BREEZE die mal mehr oder weniger langhaarigen Häupter zahlreicher Metalheads. Das in Dinkelsbühl ansässige Open Air hat sich als Größe in der Szene etabliert und gilt manchem Fan schon lange als heimlicher Superstar unter Deutschlands Heavy Metal Festivals. Zu seinem Jubiläum lockte das SUMMER BREEZE Open Air mit einem abwechslungsreichen Line-up der verschiedensten Stile, in dem Newcomer aber auch zahlreiche Veteranen wie Dauergäste die Bühnen stürmten. Fast schon zu voll war das Programm, in dem jede Pause mit dem schmerzlichen Verpassen einer sehens- und sowieso hörenswerten Band gleichkam. Binge Watching ist definitiv auch auf Festivals möglich. Die DEADLINE war wie im Vorjahr als Medienpartner beim SUMMER BREEZE dabei.
Üblicherweise bekommt das Geburtstagskind Geschenke, das SUMMER BREEZE beglückte allerdings seine rund 40.000 friedlichen Besucher mit einer Überraschung. Nach dem Festivalauftakt am Mittwoch, der traditionell von der BLASMUSIK ILLENSCHWANG begleitet wurde, betraten im Vorfeld geheim gehaltene Künstler die zur Open Air Bühne ausgebaute T-Stage: die “T-Party” war eröffnet. Ihren Namen verdankt die Bühne dem ehemaligen, im Jahr 2013 verstorbenen Geschäftsführer Michael „T“ Trengert, der nicht nur das SUMMER BREEZE Open Air maßgeblich geprägt, sondern auch zahlreichen Bands zu einer Karriere verholfen hat.

Viele dieser Musiker standen an jenem Mittwoch auf der Bühne, darunter BORN FROM PAIN, VOMITORY, IN EXTREMO (mit einem Klassiker-Set ohne großen Schnickschnack), POWERWOLF (mit viel großem Schnickschnack), AMON AMARTH – die hier mit einem Oldschool-Set den ersten von zwei Auftritten absolvierten – und kurz nach Mitternacht die deutschen Thrash-Ikonen DESTRUCTION. Als Post-T-Stage-Betthupferl sorgte die finnische Country-Band STEVE ‚N‘ SEAGULLS mit Coversongs bekannter Metalhymnen für angenehme Unterhaltung.
Der Donnerstag zeigte sich zum eigentlichen Festivalbeginn von der sonnigsten Sorte und ließ zahlreiche Besucher in den raren Schatten flüchten. Das SUMMER BREEZE hatte jedoch mitgedacht und zumindest diverse Sonnensegel aufgebaut. Unter der Hitze litten auch Bands wie die US-amerikanischen FIT FOR AN AUTOPSY, die ihren grimmigen Progressive Deathcore (?!) zur Mittagszeit in die recht überschaubare, sonnendurchflutete Pit der T-Stage bellen mussten. Womöglich hatte sich der Großteil der Besucher auch schon für WHILE SHE SLEEPS vor der Hauptbühne versammelt, für die das SUMMER BREEZE eine smarte Neuerung investiert hat: Während auf dem vorderen Teil der Drehkonstruktion gerockt wird, kann die Rückseite bereits für den nächsten Auftritt in Szene gesetzt werden. Während des Festivalablaufs klappte das hervorragend. Beim schweißtreibenden Auftritt der Engländer durfte die neue Bühne auf jeden Fall ihre Stabilität unter Beweis stellen. Denn WHILE SHE SLEEPS stellten ihren Status als heimlicher Headliner eindrucksvoll unter Beweis und ließen die Fans – viele davon auf Schultern sitzend – freudestrahlend zurück.

Gut aufgelegt waren auch MISS MAY I, und das obwohl den US-Amerikanern nach einer Show in Italien die komplette Ausrüstung gestohlen worden war. Mit geliehenen Instrumenten und Klamotten ließen es die Jungs dennoch ordentlich krachen; das aktuelle Album “Shadows Inside” macht live sehr viel Spaß.
Metalcoriges gab es danach auch auf der T-Stage mit WITHIN THE RUINS zu erleben, doch es waren vergleichbar ruhige Klänge, die an diesem Tag für den ersten Höhepunkt sorgten: die Briten TESSERACT spielten ihren virtuosen Progressive Metal auf den Punkt genau, Sänger Daniel Tompkins traf jeden Ton. Zum Niederknien. Und gerade bei solch einer Vorstellung muss man sich wieder einmal fragen, wieso manche Festivalbesucher offenbar zum lautstarken Erzählen in der Menge stehen. Ihr Penner!

Freunde von wuchtigem Death Metal konnten sich am Donnerstag mit den Burschen von OBITUARY vergnügen, die mit neuem Album und sehr viel Groove für Stimmung sorgten.

Partystimmung war auch nebenan auf der Camel Stage angesagt, auf der die österreichische Spaßtruppe TURBOBIER – in Personalunion die Gründer der Bierpartei Österreich (BPÖ) – spätestens mit der Helene Fischer Parodie “Arbeitslos” (statt “Atemlos”) auch dem härtesten Metalhead ein debiles Grinsen ins Gesicht rockten.

Mit LIFE OF AGONY konnte der Stilwechsel gar nicht krasser sein. Leider sah sich die im Jahr 1989 gegründete Band mit einer Stimmungsflaute im recht überschaubaren Publikum konfrontiert. Dem durchaus präsenten harten Kern der Fans war das jedoch egal, und die Songauswahl gab trotz des aktuellen Albums der Band genug Anlass zum nostalgischen Schwärmen. Aus technischen Gründen (?) wurde der Auftritt jedoch 15 Minuten zu früh abgebrochen. Damit zog sich die Wartezeit auf das DEVIN TOWNSEND PROJECT quälend in die Länge, was der Vorfreude entgegenkam. Die Band um den kanadischen Ausnahmekünstler beschwörte ein wie immer faszinierendes Progressive Metal Geflecht, das direkt vor der Bühne allerdings ein wenig zu basslastig daherkam. Die spielerische Raffinesse beeinträchtigte das aber so wenig wie den wie üblich mit Gesten und Grimassen agierenden Devin. Mit dabei war auch wieder Gastsängerin Anneke van Giersbergen.

Ein Viertel Big Four stürmte am Abend auf die Bühne und bei alle Diskussionen um die aktuelle Live-Qualität von MEGADEATH: Dave Mustaine und seine Kumpanen begeisterten mit einem Klassiker-Set, geiler auf die Fresse gab es aber trotzdem auf der T-Stage mit NILE. Und was konnte zur hereinschleichenden Dunkelheit besser passen als MOONSPELL, die am gleichen Tag bereits mit einer Ambient Acoustic Show Eindruck hinterlassen hatten. Zur Abendstunde gaben die Portugiesen, die in diesem Jahr ebenfalls den 25. Geburtstag feiern, vor allem Stücke aus ihrem Album “Irreligious” (1996) zum Besten.

Einen zweiten Auftritt zelebrierten auch AMON AMARTH. Die Schweden, die im Vorfeld die mit Abstand meistgenannte Festival-Wunschband waren und gefühlt die Hälfte der Besucher mit Merch eingekleidet hatten, sind Stammgäste auf dem SUMMER BREEZE und konnten sozusagen ein Heimspiel absolvieren. Entsprechend riesig war das Publikum vor der Bühne und weit darüber hinaus, es wurde gesungen, gegröhlt, gemosht und fleißig getrunken. Neben einer an Hits reichen Setlist lieferten AMON AMARTH eine mit Pyroeffekten, Backdrop-Wechseln und Schaukämpfen gespickte Vorstellung inklusive Gastauftritt von DORO ab. So geht Headliner. Wer danach immer noch nicht genug Wikingerblut geleckt hatte, konnte mit der hölzernen Nachbildung der Schweden heldenhaft in See stechen.
Die ARCHITECTS werden langsam aber sicher zu Superstars und zeigten bei ihrem SUMMER BREEZE Auftritt warum. Spielfreude, Energie, Sympathie und Herz, als Sänger Sam Carter dem im letzten Jahr verstorbenen Gitarristen und Kopf der Band, Tom Searle, gedachte.

Ein weiteres Mal zum Zweiten tönte mit dem Headliner-Set von IN EXTREMO in die Menge, nun auch mit allerlei Pyro-Effekten und Duett mit KREATOR-Frontmann Mille Petrozza. Auch hier ein Jubiläum: Die Mittelalter-Rocker feierten ihren tausendsten Auftritt. Richtig heftig wurde es nochmals mit den kanadischen Death Metallern von CRYPTOPSY, die das Sandmännchen in die Nachtruhe prügelten.
Der Freitag verwöhnte oder quälte – je nach körperlichem Befinden – erneut mit strahlendem Sonnenschein und tropischen Temperaturen, für den Nachmittag hatte der Wetterdienst jedoch ein heftiges Unwetter angekündigt. Noch zum Mittag regierte dennoch die Hitze zum Leidwesen von FALLUJAH, die ihren aggressiven Deathcore in ein recht müdes Publikum donnern mussten, abgesehen von einer technischen Panne zu Beginn aber ein gelungenes Set absolvierten. Tipp! Der Großteil der Besucher schwofte zur gleichen Zeit vor der Hauptbühne bei den Finnen von BATTLE BEAST, die ihren so pathetischen wie beliebten Power Metal vermutlich das nächste Mal in einem deutlich späteren Slot spielen werden.

Progressive Death Metal. Wer sich fragt, ob es diese Genrebezeichnung überhaupt gibt, hat GORGUTS noch nicht erlebt. Krasses Zeug von den Herren aus Kanada. Wer weniger den Nacken schütteln als ausgelassen schunkeln wollte, war bei BETONTOD gut aufgehoben. Die Punkrocker aus dem Ruhrgebut sind mittlerweile die besseren Hosen und versetzten das SUMMER BREEZE in Partystimmung. Insbesondere bei “Glück auf” wurde getanzt, geknutscht und “Wir müssen aufhören weniger zu trinken” gegröhlt.
Zeit für den Exoten-Headliner HUMILIATION aus Malaysia, der viele neugierige Besucher anlockte. Deren oldschooliger Death Metal gefiel dem stetig wachsenden Publikum vor der Camel Stage.

Mit “I am the Storm” eröffneten CROWBAR ihr Set und der Himmel reagierte mit dem angekündigten Unwetter, das sich glücklicherweise nur in heftigem Regen äußerte und nicht wie befürchtet mit Windstärke 10. Vielleicht hatten CROWBAR die Gewitterfront aber auch schlicht mit ihrem Sludge Metal an den Horizont gepustet, wo parallel zur Action auf der Bühne ein dunkles Wolkenspektakel aufzog.
WEITER