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RYAN REYNOLDS IM GESPRÄCH ZU DEADPOOL

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Nach der fünf Stunden zuvor gezeigten Pressevorführung von Marvels Comicabenteuer für Erwachsene, DEADPOOL, erschien Hauptdarsteller und Produzent Ryan Reynolds äußerst entspannt und gut gelaunt vor einer handverlesenen Auswahl an Pressevertretern, um über Studio- und Finanzierungsprobleme, lange und steinige Entstehungs- und Entscheidungsprozesse sowie … seine Mutter zu reden.

 

Wo liegen die Parallelen zwischen dir und deinem Charakter Deadpool?

 

Ein guter Freund sagte mir einmal vor vielen Jahren, dass mein Name im Comic auftauche. Ich wusste erst nicht, wie das gemeint war, aber dann las ich es: Deadpool bezeichnet sich im Comic selbst als eine Kreuzung aus mir und einem Shar-Pei. Damit begann alles. Denn wir beide mögen selbstbezogene Witze, sind ehrgeizig, haben den gleichen Humor und mögen Popmusik.

 

Genau. Im Film erweist du dich als der ultimative WHAM!-Fan. Hast du sonst noch ähnlich peinliche Musikleichen im Keller?

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Ist WHAM! wirklich so peinlich? Finde ich gar nicht mal. Aber mal überlegen: Da tummeln sich schon auch mal Britney Spears oder WILSON PHILLIPS mit „Hold On“ (Wahnsinns-Video übrigens, fast so scheiße wie „Safety Dance“; Anm. d.Red).

 

 

Zurück zum Humor: Der hat sich ja ganz schön gewaschen.

 

Oh ja, und für jeden asozialen Spruch im Film haben wir zehn weitere, teils viel krassere Alternativen, auf die man sich bei den Extras beim Home-Entertainment-Release freuen kann. Und das für fast jede Szene … Oh Mann, da waren wirklich Sprüche dabei, die hätten uns Knast einbringen können oder ernsten Ärger mit der NRA (Nationale Schusswaffenvereinigung).

 

 

Möchtest du näher drauf eingehen?

 

Lieber nicht. Wir haben es da ganz schön wild getrieben und mussten ein wenig zurückrudern. Es war jetzt nicht so, dass wir ständig das Studio um Erlaubnis gefragt hätten, ob wir dies oder das dürfen. Wir haben es einfach gemacht und dann selbst entschieden, was nicht zu heftig war.

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Was ist deine Superhelden-Fähigkeit?

 

Da muss ich passen. Aber ich reise gerne. Als ich für THE VOICES in Babelsberg drehte, unternahm ich einige Motorrad-Trips. So fuhr ich mit meinem Bruder von Wien bis Berlin. Ich war auch schon in Köln und in München. Und im Frühling mit dem Fahrrad durch Berlin war auch eine tolle Erfahrung.

 

 

Das Special-Make-up und die Maske nehmen sehr viel Raum ein und verunstalten dein Gesicht bis zur Unkenntlichkeit bzw. verbergen es gänzlich. Wie war diese Erfahrung?

 

Sich nicht nur hinter einem Charakter verstecken zu können, sondern auch hinter der Maske, war eine befreiende Erfahrung. Sich dann auch in einem Charakter verlieren zu können, der seinen Schmerz durch einen Käfig aus Humor filtert, damit kenne ich mich als einer von vier Brüdern aus. (lacht) Aber im Ernst: je mehr Maske, desto besser.

 

 

Was würde deine Mutter zu DEADPOOL sagen?

 

Sie hatte vier Jungs großzuziehen. Sie hat definitiv schon Schlimmeres gesehen. Wahrscheinlich hat sie schon alles gesehen. Ich beneide keine Mutter von vier Jungs.

 

 

Was zieht dich zum Superheldenfilm? 

 

Das war keine bewusste Entscheidung. GREEN LANTERN war eine Rolle, die mir angeboten wurde. DEADPOOL aber wollte ich schon sehr lange Zeit machen. Und auch wenn GREEN LANTERN nicht jedermanns Sache war und auch meiner Karriere nicht förderlich, so mag ich ihn dennoch irgendwie. Ungeachtet dessen hat mich mein Weg hierhin geführt.

 

 

Wie problematisch war es, den Film zu realisieren?

 

Elf Jahre hat es gedauert. Es war die schlechteste Beziehung, die ich je in meinem Leben hatte. Grünes Licht. Stopp. Grünes Licht. Stopp. Dann kuscheln. Und wieder Stopp. Es wurden eine Menge Türen vor meiner Nase zugeschlagen, bis es so weit war und das Studio sich erweichen ließ, den Film zu produzieren. Wir überlegten uns auch, den Film völlig ohne SFX zu drehen; selbst dann wäre er interessant gewesen. Als die Kunde dann „auf wundersame Weise“ nach außen drang, dass wir es so schwer hätten, die Produktion ins Rollen zu bekommen, waren es die DEADPOOL-Fans, die letztendlich den Ausschlag gaben, indem sie 24 Stunden nonstop das Studio mit Mails bombardierten, dass sie den Film sehen wollten. Schließlich setzte das Studio ihn einfach auf die Kino-Startliste, was wir über Umwege erfahren durften, wobei wir nicht wussten, was das für uns bedeutete. Anfangs dachten wir, wir seien gefeuert. Fox hatte die ganze Zeit über nichts mit dem Stoff anfangen können. Dass DEADPOOL auch die gleichen Heilkräfte wie Wolverine hat, doch ungleich gewalttätiger ist und zudem auch, wie bereits erwähnt, einen ausgeprägten, sehr speziellen Humor hatte, verunsicherte das Studio noch mehr. DEADPOOL war im X-MEN-Universum angesiedelt, was bedeutete, dass der eine oder andere schon mal seinen Weg hätte kreuzen müssen. Am Ende waren es eben die, die wir uns leisten konnten: Colossus, den wir so darstellen wollten wie in den Comics und nicht in seiner weichgespülten (X-MEN-)Version, also als Russen und aus Eisen. Und wir gruben Negasonic Teenage Warhead aus, die einmal in einem der frühen Comics eine Nebenrolle bekleidete und deren Name einfach geil klingt. Neben allen Hindernissen und Problemen war tatsächlich das Schwierigste, Colossus zu bekommen.

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Was hattest du sonst noch für Aufgaben als Produzent?

 

Der Film hat mich quasi verschluckt. Für ein volles Jahr war ich seine Geisel. Ich überwachte die komplette Post-Production, war im Schnittstudio, nahm den Soundmix ab, die Farbkorrektur. Wir waren ein Kernteam von nur vier Leuten.

 

 

Wie zufrieden bist du mit dem Ergebnis?

 

Rückblickend kann ich sagen, dass ein Traum in Erfüllung gegangen ist und das ganze Team sehr glücklich darüber ist, den Film so, wie er ist, unter dem R-Rated-Banner auf die Leinwand gebracht zu haben. Während Comics härterer Gangart in ihrer Verfilmung zurechtgestutzt werden müssen, um sie einem jüngeren Publikum zugänglich zu machen, brauchten wir uns nicht damit aufzuhalten, den Film sauber zu halten. Keiner von uns wollte das. Fox gab uns dankenswerterweise volle Autonomie. Es war nicht leicht, den Ton zu treffen, doch ich war von Anfang an sehr protektiv mit dem Stoff und wollte das Spektakel genauso over-the-top-blutig und durchgedreht wie humorvoll halten. Deadpool ist gelinde ausgedrückt sehr eigentümlich, aber er hat auch einige wahrhaftige und vernünftige Momente. Das musste im Einklang miteinander sein. Denn er ist im Verlauf der Handlung der Einzige, der um seine Existenz als Comicfigur weiß.

 

 

Und wie zufrieden war man schließlich bei Fox, als sie den Film zu sehen bekamen?

 

Er gefiel ihnen wirklich sehr gut. Wir hatten es uns zur Aufgabe gemacht, etwas Tolles abzuliefern, und das gelang uns, indem wir sogar unter Budget blieben und fristgerecht lieferten. Das Studio schmiss dann sofort seine Marketing-Maschinerie an, und das sogar, ohne Einsparungen vorzunehmen. Jetzt kann ich sagen: „Hey, ich habe einen Film gemacht, den sogar das Studio mag.“ (lacht)

 

 

Mit all den Anspielungen auf Wolverine, den ihr ja nicht als Charakter dabeihaben durftet, da stellt sich vielen sicher die Frage, wie Hugh Jackman den Film fand.

 

Stimmt. Ich bin wirklich gespannt, was er davon hält. Er hat ihn noch nicht gesehen, soweit ich weiß, aber wird es wohl in Bälde.

 

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Hast du zurzeit einen Lieblingsfilm?

 

Ich mochte TRAINWRECK, der einen sehr schrägen Woody-Allen-artigen Humor hat.

 

 

Man konnte ja im Vorfeld schon darüber lesen, dass du beim Dreh verletzt wurdest. Wurdest du bei Kampf- und Stuntszenen nicht gedoubelt?

 

Wir mussten eben sparen, wo es ging. Wenn ich mir ein Bein gebrochen hätte, hätte ich es irgendwie in den Spandex-Anzug reinbekommen müssen, um den Rest der Szenen zu drehen, denn ein Ausfall hätte uns den Kopf gekostet. Nun ja, wenn du Kampfszenen drehst, bekommst du eben auch mal was ab. Ich bin 39, und da ist Hinfallen nicht mehr ganz so super. Es ist eben Hinfallen.

 

 

Wie wichtig war das Drehbuch?

 

Wir hatten schon vor sechs Jahren ein finales Skript. Wenn man es genau betrachtet, nicht die schlechteste Art, an einen Film heranzugehen. Viele Superheldenfilme haben den Fehler gemacht, das Skript nicht als das Wichtigste anzusehen, und man kann sehr viel Geld sparen, wenn man sich an etwas Festem orientiert. Und dennoch gab es in der ganzen Geschichte keinen anderen Comic, der so beliebt war, Spitzenverkaufszahlen erzielte und nicht (!) innerhalb kürzester Zeit eine Verfilmung für sich verbuchen konnte. Bei DEADPOOL waren es 25 Jahre.

 

 

Man merkt schon, ihr hattet nicht das „normale“ Budget eines Superheldenfilms.

 

Ich bin ohnehin kein Fan von Filmen, die eine halbe Milliarde Dollar kosten. Ich möchte an dieser Stelle nicht unser Budget preisgeben, aber dank unseres Regisseurs, der auch zugleich Visual FX Artist ist, konnten wir das Budget niedrig halten, und ich finde, wir können stolz von uns behaupten, dass wir uns trotz unseres niedrigen Budgets dennoch mit den anderen Marvel-Verfilmungen auf Augenhöhe befinden.

 

 

Ist der Film in deinen Augen auch für Frauen geeignet?

 

Wir haben viele starke Frauenfiguren. Aber davon ab kam er auch bei den Testvorführungen und den Umfragen bei Frauen besonders gut an. Sie scheinen echt auf diese Scheiß-Superhelden-Filme zu stehen. (lacht)

 

 

Der Erfolg ist absehbar. Befasst ihr euch schon mit Sequel-Gedanken?

 

Es gibt schon Ideen und Pläne, aber noch nichts Konkretes. Es wäre ohnehin verfrüht, darüber zu reden. Erst einmal muss der Film raus und gut laufen.

(Yazid Benfeghoul)

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