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Michael Fassbender und Sophie Turner im Interview zu X-MEN: DARK PHOENIX

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STARKER PHÖNIX

Im Interview mit Sophie Turner

 

Die 1996 geborene Sophie Turner wurde in GAME OF THRONES in ihrer Rolle als Sansa Stark von den Zuschauern gehasst und vergöttert. Sie scheint damit eine passende Wahl für die ambivalente Jean Grey, die Retterin und Verderben der X-Men gleichermaßen zu sein scheint. Als dunkler Phönix überzieht sie in X-MEN: DARK PHOENIX nun Feind – und Freund – mit apokalyptischen Flammen. Wir haben uns für euch mit der sehr sympathischen und bodenständigen Britin getroffen und uns einfach mal gar nicht für die Thron-Rangelei interessiert.

 

DEADLINE: Gibt es wirklich mehr Superheldinnen im aktuellen Kino?

 

Sophie Turner: Ja, und es ist wunderbar! Ich bin sehr froh, ein Teil dieser Evolution im Film, in der Kunst und überhaupt der Gesellschaft zu sein. Das Kino ist inklusiver geworden: BLACK PANTHER, WONDER WOMAN, unser Film …

Das ist eine Bewegung, die eigentlich vom Publikum kommt, es fordert sie ein. Die Statistiken besagen eindeutig, dass Filme mit weiblichen Protagonisten erfolgreicher sind. Es ist toll, dass die Filmemacher darauf aufmerksam geworden sind und entsprechend ihre Filme planen.

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DEADLINE: Hast du mit Famke Janssen gesprochen, die ja in den ersten X-MEN-Filmen die Jean Grey gespielt hat?

 

Sophie Turner: Als ich die Rolle in X-MEN: APOCALYPSE bekam, war eine der ersten Sachen, die ich tat, nach Famkes E-Mail-Adresse zu fragen. Wir schrieben ein bisschen hin und her. Ich wollte sie wissen lassen, wie ich die Figur sah, und fragte sie nach irgendwelchen Tipps oder Material, das ihr bei der Rolle geholfen hatte. Ihre Antwort war, dass sie eigentlich gar nichts Bestimmtes zur Inspiration genutzt hatte. Das half mir einerseits nicht sonderlich weiter, gab mir andererseits aber natürlich auch Freiraum. Sie übergab mir den Staffelstab und ließ mich mit Jean Grey machen, was immer ich wollte. Es ist schön, ihren Segen dafür zu haben. Ich habe mich dann für meine Vorbereitung vor allem mit realen psychischen Erkrankungen befasst, um zu verstehen, wie sie sich fühlt und entsprechend verhält.

 

DEADLINE: Wusstest du schon, dass Jean Grey ihren eigenen Film bekommen würde, als du sie das erste Mal gespielt hast?

 

Sophie Turner: Nein, nicht wirklich. Ich wusste natürlich von den DARK PHOENIX-Comics, aber erst sechs Monate vor Drehbeginn habe ich davon erfahren, dass sich der Film um meine Figur drehen würde. Zuerst war ich wie versteinert, dann überglücklich. Ich glaube, dass die Geschichte um den dunklen Phönix verschiedenste Leute anspricht. Es ist ein innerer Kampf zwischen zwei Polen, den – in unterschiedlicher Ausprägung– viele von uns führen. Jean Grey ist hier Protagonistin und Antagonistin zugleich. Manchmal habe ich zwischen all diesen großartigen Schauspielern in den X-MEN-Filmen das Gefühl, da gar nicht hinzugehören, es ist geradezu surreal. Aber ich versuche auch, es einfach nur zu genießen. Jeden Tag am Set kann ich sehr viel lernen. Ich beobachte die Prozesse der anderen Schauspieler. Ich komme ja von einer Serie – die Arbeit an einem Kinofilm ist schon noch mal was anderes.

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DEADLINE: Wo steht DARK PHOENIX in der Reihe der X-MEN-Filme?

 

Sophie Turner: Er ist ein bisschen eine Kombination aus allen vorhergehenden Filmen. Einerseits rundet er das filmische Universum der X-Men wunderbar ab, andererseits gibt es noch so viel mehr zu erzählen. Es kommt nun auf Disney an, was sie machen.

 

DEADLINE: Deine Karriere hat eigentlich gerade erst begonnen. Du bist jung und hast einen frischen Blick auf die Filmindustrie. Was, glaubst du, wird in den nächsten Jahren mit dem Kino passieren?

 

Sophie Turner: Es ist traurig, aber ich glaube, dass Streaming die Zukunft ist. Die Zahl der Filme im Kino wird immer geringer, die Blockbuster dominieren. Programmkinos werden sich nicht mehr lange halten können. Das Internet verleibt sich alles ein. Das macht mich unglaublich traurig, denn nur im Kino gibt es diese wahre Filmmagie. Filme werden fürs Kino gemacht. Es scheint aber, als ließe sich diese Entwicklung nicht mehr aufhalten, und wer überleben will, muss mitschwimmen.

 

DEADLINE: Trotz dieser Aussichten danke für das Interview!

Michael Fassbender, Evan Peters und Sophie Turner in Berlin

 

Interview von Leonhard Elias Lemke

Michael Fassbender, Leonhard, Evan Peters und Sophie Turner
Michael Fassbender, Leonhard, Evan Peters und Sophie Turner

MUTIERT, SYNTHETISCH ODER DOCH EINER VON UNS?

Im Gespräch mit Michael Fassbender

 

SHAME, PROMETHEUS, MACBETH, X-MEN – ob als Gepeinigter der Sexsucht und Einsamkeit, eiskalter, Welten schaffen- und zerstörender Android, verbittert kämpfende Shakespeare-Ikone oder fleischgewordener Magnet: Der in Heidelberg geborene – sein Deutsch erinnert mich sympathisch an Terence Hills Aussprache – Michael Fassbender spielt in seinen besten Jahren in der obersten Liga Hollywoods. Weder Kinder- noch Altstar, ist sein Name kein Marketinginstrument, sondern ein Garant für Herzblut in der Filmrolle. Nach anfänglichen Fernsehrollen kann er sich die von um ihn buhlenden Regisseuren und Produzenten angebotenen Figuren aussuchen. Er gibt nur Charaktere, die ihn reizen, zu denen er einen Bezug herstellen kann – auch zu ihren Schattenseiten. Als ewiger Widersacher – eigentlich ja selbst Mitglied – der X-Men, Magneto, lotet er den Freiraum zwischen Bewunderung und Abscheu für eine Figur voll aus. Ganz getreu der gezeichneten Vorlage. X-MEN: DARK PHOENIX ist wohl der letzte Mutantenauftritt unter Fox, aber keinesfalls ein Schwanengesang. Vielleicht wird sich auch der dunkle Phönix wieder aus der Asche erheben.

Wir sollten Michael Fassbender schon alleine dafür lieben, dass er uns wohl einen Kinofilm von KUNG FURY bescheren wird – als Blockbuster, mit ihm und einem gewissen Arnold Schwarzenegger …

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DEADLINE: Wie viel bedeuten dir die X-MEN-Filme in deiner Filmografie?

 

Michael Fassbender: Nun, ich bin ganz froh, dass ich nicht ganz so viel Text in diesen Filmen habe. (lacht) Mir gefällt, dass es bei den X-Men so viele verschiedene Figuren gibt. Es ist für mich eine Herausforderung rauszufinden, wie der Charakter meiner Rolle gestaltet ist. Ich orientiere mich dazu immer an dem Bild, das das Publikum zuletzt von Magneto hatte. Er scheint diesmal so weit mit sich im Reinen zu sein, wie Erik Lehnsherr es überhaupt sein kann. Er hat sich mit einigen Kompromissen abfinden können. Genosha ist für ihn und seine Anhänger zu einem sicheren Hafen geworden, in den sie sich vor den Menschen zurückziehen können. Sie haben dort ihre eigenen Regeln und Harmonie gefunden. Noch idyllischer kann es für ihn kaum werden. Als er dann aber erfährt, dass jemand, der ihm sehr nahestand, verstoben ist, ist es vorbei mit der Ruhe. So wie ich Erik Lehnsherr verstehe, gibt es für ihn nur Schwarz und Weiß. Auge um Auge, Zahn um Zahn.

 

DEADLINE: Du bist ein sehr körperlicher Darsteller.

 

Michael Fassbender: Ja, aber das ist in diesen Filmen keine wirkliche Herausforderung. Metall zu verbiegen schon eher! (lacht) Generell orientiere ich mich sehr an dem Comic, um Magneto zu spielen. Unserem Regisseur, Simon Kinberg, war jedoch sehr an einem realistischen Ansatz gelegen. Es gibt zum Beispiel nicht diese typischen Kostüme der Superhelden. Das unterstreicht auch die Kameraarbeit, es wurde viel aus der Hand gefilmt. Alles wurde auf die Essenz reduziert. Ich versuche trotzdem, nach Bildern in den Comics zu suchen, die ich dann in den Film transportieren möchte. Was die Physis und die Bewegungsabläufe angeht, lasse ich mich ebenso von den Comics inspirieren. Generell starte ich aber bei jeder Rolle bei ihrer Physis: wie sich die Person bewegt, ob jemand eher abwartend ist, schnell auf den Füßen oder sehr brachial. Generell treibe ich gerne Sport, um zur mentalen Belastung einen Ausgleich zu schaffen. Das macht mir jetzt sogar mehr Spaß als noch vor 20 Jahren. Ein sehr praktischer Grund zu trainieren ist, dass beim Training Endorphine freigesetzt werden und man sich danach gut fühlt. Man ist wacher für den Rest des Tages. Natürlich würde ich lieber surfen als Sport machen, aber wenn ich viel unterwegs bin, bleibt eben oft nur das Fitnessstudio – das ist allerdings irgendwie ein komischer und leicht depressiver Ort. Je älter ich werde, umso weniger Freude habe ich an Stuntszenen. Wenn Magneto fliegt, bin ich an Drahtseilen befestigt, was nicht besonders angenehm ist, und außerdem scheine ich zunehmend Höhenangst zu bekommen.

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DEADLINE: Für eine Comicverfilmung hat DARK PHOENIX ziemlich viele ruhige Momente.

 

Michael Fassbender: Mit dem Aufkommen des Blockbusterkinos in den 70ern haben die Filmemacher gedacht, sie müssten einander mit visuellen Reizen überbieten. Wenn ein Film großen Erfolg hat, schafft er eine Formel, die dann von vielen angewandt wird. Das passiert so lange, bis jemand kommt, der mit dieser Formel bricht und trotzdem Erfolg hat. So ist das Spiel der Filmindustrie. Die Filme sind einfach so wahnsinnig teuer geworden, dass sie auch Riesensummen einspielen müssen. Der Druck, Erfolg zu haben, ist groß. Ich unterstütze es, wenn ein Film sein eigenes Tempo hat, das er eben braucht, um seine Geschichte erzählen zu können. Simon Kinberg wollte nicht auf das Spektakel, sondern die Figuren setzen. Im letzten Akt gibt es viele Schauwerte, aber bis dahin konzentriert er sich vor allem auf die Geschichte. DARK PHOENIX ist kein epischer, sondern ein intimer Film.

 

DEADLINE: Was reizt dich an Magneto?

 

Michael Fassbender: Er trägt viele Widersprüche in sich. Er hat eine intensive Vergangenheit – bevor wir ihn in X-MEN: ERSTE ENTSCHEIDUNG treffen, hat er schon so viel durchlebt. Er ist sehr komplex. Auf der einen Seite lebt er nach einem strengen ethischen Kodex, auf der anderen Seite ist er ein regelrechter Machiavelli: Der Zweck heiligt die Mittel. In X-MEN: ZUKUNFT IST VERGANGENHEIT ist er ein Terrorist. Und dann ist da natürlich die Beziehung zu Charles Xavier. Beide Figuren sind sehr kultiviert. Sie befinden sich im Krieg miteinander und sind gleichzeitig enge Freunde. Mir hat es immer gefallen, mir Erik als eine Art Malcolm X und Charles als Martin Luther King vorzustellen.

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DEADLINE: Deine Rolle als Macbeth war sehr stark. Wie kann man eine Brücke von Shakespeare zu Comics schlagen?

 

Michael Fassbender: Ich glaube, dass beide inhaltlich sehr überhöht funktionieren, sehr stilisiert arbeiten. Konkret gibt es auch Parallelen zwischen den Ambitionen von Macbeth und Magneto. Bei beiden sind große Egos im Spiel.

 

DEADLINE: Hast du als Kind Comics gelesen?

 

Michael Fassbender: Ich habe allgemein eigentlich gar nicht gelesen. Meine Eltern haben mich gefragt, ob ich nicht wenigstens Comics lesen wolle, aber ich war schon immer eher an praktischen Dingen interessiert. Doch ich war definitiv von Superman beeinflusst, ich hatte ein Kostüm von ihm und habe im Sprung von der Couch und am Pool das Fliegen geübt! (lacht) In Irland habe ich oft mit einem Freund gespielt, dass, wenn ein Auto kam, er schnell in seinen normalen Klamotten in den Busch rannte und ich aus diesem in dem Superman-Kostüm herauskam.

 

DEADLINE: Hast du dich an Ian McKellens Darstellung von Magneto orientiert?

 

Michael Fassbender: Zunächst einmal fühlte ich mich sehr geschmeichelt, in seine Fußstapfen treten zu dürfen. Bei X-MEN: ERSTE ENTSCHEIDUNG hatte ich ein Gespräch mit unserem Regisseur Matthew Vaughn. Ich fragte, ob ich so klingen sollte wie Ian. Aber er sagte, dass er meinen eigenartigen, unüblichen Akzent mochte und ich ihn beibehalten solle. Als wir dann den nächsten X-MEN-Film machten, waren Ian und ich im selben Film zusammen. Ich fragte ihn dann, ob er nicht meinen Akzent nachahmen könne. Er sagte Nein. (lacht) So versuchte ich dann, mich doch ein bisschen mehr nach ihm zu richten. Am Ende ist Magneto ein Hybrid von uns beiden geworden.

 

DEADLINE: Du bist eng mit dem kommenden Spielfilm von KUNG FURY verbunden. Was gefällt dir an dem Projekt?

 

Michael Fassbender: Ich bin ein großer Fan der 80er! Ich habe den 30-Minuten-Kurzfilm von KUNG FURY gesehen und war begeistert. Das ist einfach nur wild und verrückt. Als ich hörte, dass er einen Spielfilm machen wollte, habe ich Kontakt zu David Sandberg aufgenommen. Er ist sehr intelligent und cool. Ich bin sehr beeindruckt davon, was er bereits mit KUNG FURY erreicht hat. Mir war sofort klar, dass ich seine Einstellung mag und gerne mit ihm arbeiten würde.

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DEADLINE: Hat deine Heimatstadt Heidelberg noch eine Bedeutung für dich?

 

Michael Fassbender: Ja, natürlich, sehr viel sogar! Ich habe auch noch Familie in Deutschland, und es ist schön, sie zu sehen. Ich war letzte Woche gerade da, da ich dieses Jahr an dem Porsche-GT-Cup, dem Autorennen, teilnehme. Als Fahrer. Letztes Wochenende hatten wir ein Rennen in Hockenheim, und demnächst sind wir auf dem Nürburgring. Schon als Kind habe ich immer an Autos gedacht und konnte es nicht abwarten, endlich 17 zu sein und fahren zu können. Schon mit zwölf durfte ich heimlich, in Begleitung, immer mal fahren. Ich liebe Steve McQueen!

 

DEADLINE: Vielen Dank für das Interview und immer gute Fahrt!

 

Interview von Leonhard Elias Lemke