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Bekannt wurde Jeffrey Dean Morgan einem breiten Publikum durch WATCHMEN. Zudem ist er seit sechs Jahren eine feste Institution in THE WALKING DEAD. Im Interview mit der DEADLINE spricht Morgan nun über seinen neuen Film THE UNHOLY, der am 17. Juni in den Kinos startet. Darin erfahren wir unter anderem, wie er die Zusammenarbeit mit Newcomerin Cricket Brown empfand und wie die übernatürlichen Szenen am Set realisiert wurden.

 

DEADLINE: Was hat dich bei THE UNHOLY als Erstes angesprochen?

 

JEFFREY DEAN MORGAN: Sam Raimi. Ich habe bereits vor einiger Zeit den Film POSSESSION mit ihm gedreht. Insofern hatte ich bereits eine gute Arbeitsgrundlage mit ihm. Außerdem waren mir James Herbert und seine Romanvorlage ein Begriff, als ich das Drehbuch zu THE UNHOLY erstmals in die Hände bekam. Ob du es glaubst oder nicht: Ich hatte SHRINE (Originaltitel der Buchvorlage) vor einiger Zeit gelesen, und mir gefiel, was Evan Spiliotopoulos daraus in seinem Drehbuch gemacht hat. Er hat mir zudem einen sehr guten Einstieg in meine Figur ermöglicht. Als ich all diese Punkte zusammen betrachtete, entschied ich, dass ich bei THE UNHOLY mitmachen möchte.

 

DEADLINE: Was mir an THE UNHOLY am meisten gefallen hat, ist, wie die Geschichte Gerry Fenns an sich selbst ganz langsam immer weiter verstärkt, konträr zum blinden Vertrauen, welches die Bewohner der Stadt befallen hat. Gerry Fenn ist ein fantastischer Charakter.

 

MORGAN: Gerry ist ganz gewiss ein ziemliches Arschloch. (lacht) Aber er ist derjenige, der den Ton des Films vorgibt und ihn erdet. Er ist keiner, der blind an etwas glaubt oder anderen vertraut. Er ist jemand, der Dinge hinterfragt. Gerry sorgt sogar für ein wenig Humor. Ich weiß nicht, ob das Evans ursprüngliches Ziel war oder ob sich dies einfach bei den Dreharbeiten ergab, denn ich wollte den Kerl so perfekt wie möglich ausgestalten. Ich dachte, etwas Humor und Sarkasmus mit einfließen zu lassen, würde gut funktionieren. Ich bin sehr dankbar, dass Evan das drin gelassen hat, denn vieles davon ist nur durch Spielerei entstanden.

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DEADLINE: Ist Gerry extra für dich geschrieben worden?

 

MORGAN: Ja. Evan und ich hatten vor diesem Film eine sehr spezielle Beziehung zueinander. Er hatte sich ein Haus in Los Angeles gekauft, und wie sich herausstellte, hatte es früher einmal mir gehört. Das war mir überhaupt nicht bewusst. Ich wusste einzig, dass ein Drehbuchautor mein früheres Haus erworben hatte und er sich wegen eines WATCHMEN-Posters erkundigte, welches bei seinem Einzug noch an der Wand hing. Darauf meinte ich nur: „Na klar, du kannst es haben.” (lacht) Wie auch immer, das erste Mal sprach ich mit Evan via Zoom. Da meinte er direkt: „Bevor wir anfangen, uns über das Drehbuch zu unterhalten, muss ich dir unbedingt etwas zeigen.” Er drehte die Kamera herum und zeigte, dass er in meinem alten Haus saß, das ich vor vier Jahren verkauft hatte. (lacht) Ich kannte mich vor unserem Gespräch schon gut mit Evans Arbeit als Drehbuchautor aus, und das Erste, was er dann zu mir sagte, war: „Ich habe den Film geschrieben und dich dabei die ganze Zeit mit im Sinn gehabt. Ich kann mir daher niemand anderen in der Rolle vorstellen als dich.” Aber das ist das, was sie einem immer sagen. (lacht)

 

DEADLINE: Ich habe kürzlich ein Online-Interview von dir gesehen, in dem du ein paar Souvenirs zeigst, die du von deinen bisherigen Filmprojekten mitgenommen hast, darunter „Lucille” von THE WALKING DEAD und eine Maske aus WATCHMEN. Konntest du auch bei THE UNHOLY ein Souvenir ergattern?

 

Morgan: Nein. Aber ich hätte gerne die Babypuppe gehabt (eine antike Puppe, die Morgans Figur in einem Feld entdeckt und welche die Geschichte in Bewegung bringt). Ich wollte diese gruselige Puppe. Aber ich habe sie nicht bekommen. Ich dachte, Evan hätte sie, aber ich habe gestern mit ihm gesprochen, und er hat sie ebenfalls nicht. Insofern weiß also niemand, wo sich dieses gruselige Baby befindet.

 

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DEADLINE: Vielleicht ist das ja eine gute Sache.

 

MORGAN: (lacht) Ich werde dir sagen, was ich bekommen habe. Ich habe die Tagesdecke von meinem Hotel bekommen, ob du es glaubst oder nicht. Aus dem Hotelzimmer, in dem Gerry Fenn übernachtet, sie sah aus wie eine Tagesdecke aus den 1970er-Jahren, eine Art Gold-Velours-Sache. Ich mochte sie sehr. Und sie war neu – sie hatten sie in neu wiedergefunden. Es war also nichts, auf dem in der Vergangenheit schon jemand geschlafen hätte! Das ist die eine Sache, die ich bekommen habe. Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie fand ich das cool. Zudem gehört die meiste Kleidung aus dem Film mir selbst. Das sind alles meine Klamotten, insofern gab es da auch nicht viel, was ich hätte stibitzen können. Denn das, was ich sonst gerne stibitze, ist irgendwas Kleidungsbezogenes. Und da ich im Film keinerlei spezielle Requisiten genutzt habe, ist es am Ende eben eine Tagesdecke geworden.

 

DEADLINE: Wie war es, die Szenen zu drehen, in denen Fenn übernatürliche Erfahrungen macht? Welcher Sache oder Person hast du da am Set tatsächlich gegenübergestanden?

 

MORGAN: Glücklicherweise hatten wir Marina Mazepa. Normalerweise erwartet man, um ehrlich zu sein, in solch einer Art Film, dass man mit einem Stück Pappe vor dem Greenscreen dreht. Aber Evan hat für mich als Gegenpart Marina gefunden. Sie war bei AMERICA‘S GOT TALENT und kann Dinge mit ihrem Körper anstellen, die du noch nie zuvor gesehen hast. Und so war sie da, wenngleich nicht die ganze Zeit in vollem Kostüm und mit Make-up. Aber das war völlig ausreichend für mich oder andere, die mit ihr eine Szene hatten, um auf sie als richtigen Gegenpart reagieren zu können. Evan fragte sie: „Was kannst du hier für uns machen, das nicht normal aussieht?” Und die Sache, die sie mit ihrem Körper dann machen konnte – ich habe vorher noch niemals so etwas gesehen. Sie hat sich nach hinten übergestreckt und ist dann auf allen vieren gelaufen. Das reicht völlig aus, damit dir der Kiefer runterklappt und du den Raum verlassen willst.

 

DEADLINE: War die Atmosphäre am Set zu irgendeiner Zeit angsteinflößend oder gruselig?

 

MORGAN: Als Schauspieler möchtest du dich immer in eine solche Situation versetzen, gleichzeitig merkst du aber auch, dass du einen Film drehst. Und weißt du, ich bin jemand, der ständig Späße macht, sobald der Dreh einer Szene vorbei ist. Ich bleibe nicht im Charakter. Nicht mal ein bisschen. Also habe ich mich jemals am Set erschrocken? Nein. Aber dennoch finde ich, dass sie einen tollen Job beim Bau des Sets gemacht haben, es hat alles sehr realistisch ausgesehen. Der gruselige Keller der Kirche zum Beispiel – das war ein geniales Set. Aber ich habe auch mit Katie Aselton gearbeitet, welche die örtliche Ärztin spielt, die ich seit 30 Jahren kenne. Wir haben beide zusammen viel gekichert und uns amüsiert. Ich denke nicht, dass da jemals irgendeine Furcht da war.

 

DEADLINE: Erzähl uns bitte ein wenig über die Zusammenarbeit mit Cricket Brown, die Alice spielt. Es ist ihr erster Film. Hattest du Vorbehalte, mit einer Person zusammenzuarbeiten, die so wenig Schauspielerfahrung besitzt?

 

MORGAN: Natürlich. Aber das war genau der Moment, wo mein Vertrauen in Evan und Sam entscheidend zum Zuge kam. Als ich das Drehbuch las, dachte ich: Das Mädchen muss eine echt gute Schauspielerin sein und eine Menge Talent mitbringen. Ihre Rolle ist nicht einfach, für niemanden. Eine nervöse, unsichere Darstellerin hätte Schwierigkeiten mit all den Elementen, die in der Figur eine Rolle spielen und zum Tragen kommen. Insofern war der Castingprozess für diese Rolle vermutlich der längste bei THE UNHOLY. Aber Cricket hatte etwas ganz Spezielles. Meine Lieblingsmomente im Film sind die Szenen, in denen wir beide miteinander zu tun haben, da ich so sehen konnte, welche Entwicklung sie nahm und wie schnell sie alles hinbekommen hat. Ich habe es sehr genossen, mit ihr zu arbeiten, und finde, dass sie im Film richtig klasse ist. THE UNHOLY ist für sie der Beginn einer sehr langen Karriere.

 

DEADLINE: Wie fühlt es sich an, einen der ersten Filme des Jahres 2021 ins Kino zu bringen?

 

MORGAN: Ich bin hocherfreut, dass der Film nun rauskommt. Ich bin glücklich, dass wir einigen Menschen ein wenig Unterhaltung ermöglichen können. Es war ein langes, hartes Jahr, und ich hoffe, dass dieser Film die Leute ein wenig davon ablenken kann, was für jeden eine harte Zeit war.

 

DEADLINE: Du drehst gerade die finale Season von THE WALKING DEAD. Wie fühlt sich das an?

 

MORGAN: Bittersüß. Ich werde wirklich ehrlich sein. Wir befinden uns hier in Atlanta seit 14 Monaten. Normalerweise dauern die Dreharbeiten nur sieben Monate. Dieses Mal aber 14 Monate. Insofern werde ich vor März 2022 mit den Dreharbeiten nicht fertig sein. Deshalb ist es für mich mental noch ganz weit weg, dass es das dann mit THE WALKING DEAD gewesen sein wird. Das finde ich sehr bittersüß und bin deshalb traurig. Dies geht allen so. Aber wir haben noch viel zu erzählen. Es gibt noch sehr viel, das gedreht werden muss, sodass die Endzeitstimmung mich noch nicht so recht erfasst hat. Ich bin noch nicht in Tränen aufgelöst. Aber ich habe keinen Zweifel daran, dass dies beim Dreh der letzten Episoden so sein wird. THE WALKING DEAD ist seit sechs Jahren ein Teil meines Lebens. Das ist die längste Zeitspanne, die ich je mit einem filmischen Projekt verbracht habe. Mit all den Menschen hier zusammen sein zu können war jeden Tag toll. Für mich ist es schwer, daran zu denken, dass ich nächstes Jahr nicht für neue Dreharbeiten zurückkehren werde.

 

Übersetzung von Heiko Thiele