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IM INTERVIEW MIT DEN STARRY EYES-REGISSEUREN DENNIS WIDMYER UND KEVIN KÖLSCH

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FILME LASSEN AUGEN STRAHLEN

 

Im Gespräch mit den Regisseuren Dennis Widmyer und Kevin Kölsch zu STARRY EYES

 

Der Weg zum Starruhm ist bekanntlich ein steiniger. Dennis Widmyer und Kevin Kölsch sind in ihrer Hommage an den Körperhorror der Achtziger noch einen Schritt weiter gegangen und haben ihn gar zu einem monströsen gemacht. Dass dabei immer ein gewisser Mister Cronenberg über allem schwebte und gar DER EXORZIST höchstpersönlich anwesend war, haben sie uns in einem entspannten Interview erzählt, das Dennis Widmyer in einem stilvollen Nostromo-Shirt bestritt.

 

DEADLINE: Welche waren die ersten Schritte von STARRY EYES?

 

Kevin Kölsch: Nach einigen Kurzfilmen wollten Kevin und ich uns an ein Langfilmprojekt herantrauen, und es war klar für uns, dass es in die Richtung des Körperhorrors gehen würde. Wir selber hatten seit fast zwanzig Jahren versucht, in Hollywood Fuß zu fassen, und da ist uns die Idee gekommen, dieses Thema und den steinigen Weg nach Hollywood miteinander zu verbinden. Dabei erschien es uns noch schwerer, ein erfolgreicher Schauspieler als ein Regisseur oder Autor zu werden, und zusätzlich ging die Transformation eines Schauspielers auch noch Hand in Hand mit unserem Körperhorror.

 

DEADLINE: Also stand am Anfang der Bodyhorror, und der Schauspiel-Plot kam erst nachträglich hinzu?

 

Kevin Kölsch: Wir hatten bereits in unseren Kurzfilmen Körperhorror, das Drama einer Schauspielerin und dämonische Elemente angerissen und fühlten uns angestachelt, das alles in einem Werk zusammenzubringen.

 

Dennis Widmyer: Wir verstehen es als ein Kompliment, wenn STARRY EYES auch als ein Drama gesehen wird. Wir wollten keinen straighten Horrorfilm. Wir nähern uns dem Genre immer aus der Sicht unserer Charaktere.

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DEADLINE: David Cronenberg ist einer der prägendsten Vertreter des Bodyhorrors, wie steht ihr zu seiner Arbeit?

 

Dennis Widmyer: Wir haben nie etwas von ihm gesehen. (beide lachen) Natürlich ist er für uns ein großes Vorbild.

 

Kevin Kölsch: Es ist unmöglich, über Bodyhorror zu reden, ohne seinen Namen zu nennen. Er ist der Meister, und natürlich sind wir große Fans. Aber STARRY EYES sollte sich nicht wie ein Rip-off anfühlen.

 

Dennis Widmyer: Cronenberg drückt in seinen Filmen seine eigenen Fetische aus. Das ist großartig. In STARRY EYES hat der Körperhorror eine tiefe psychologische Grundlage. Sie benutzen Sarahs Körper als eine Hülle, die sie nach ihren Wünschen verändern können, genauso wie ihren Charakter. Das ist, was Hollywood mit den Menschen macht.

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DEADLINE: Konntet ihr derartige Vorgänge aktiv in Hollywood beobachten? Menschen, die sich für den persönlichen Erfolg und ihre Selbstverwirklichung verzehren und dabei übersehen, dass das Schöne und Lebenswerte zum Greifen nahe ist, da es nicht glitzert und funkelt und eben weniger aufregend erscheint?

 

Dennis Widmyer: Absolut. Es gibt viele von diesen Botschaften in dem Film, und wir sind froh, wenn das Publikum das sieht. Es geht nicht speziell um Schauspieler, sondern genauso auch um Regisseure oder jegliche Art von Künstlern und den Kampf, ehrlich zu sich selbst und im Reinen mit dem eigenen Leben zu sein. Ironischerweise haben wir diesen Film zusammen mit Freunden gemacht, er ist auf eine sehr untraditionelle Art und Weise entstanden. Den Produzenten Travis Stevens kannten wir bereits sehr gut. Zusammen wuchs der Film zunächst aus einer Kickstarter-Kampagne heraus. STARRY EYES begann als ein kleines Projekt, ähnlich wie einer der Charaktere im Film versucht, sein eigenes Projekt auf die Beine zu stellen. Es gibt Charaktere im Film, die Kevin und mich sehr gut widerspiegeln. Viele Künstler stellen sich einen imaginären Wecker für ihre Karriere, der ihnen sagt, dass sie, wenn sie bis 25 nicht den Durchbruch geschafft haben, es doch besser als Immobilienmakler probieren sollten. Sie verkaufen dann ihren Traum, da er in seiner Realisation vielleicht nie die hohen Ansprüche erfüllen wird, die sie haben. Es klingt wie ein Klischee, aber die ganze Filmindustrie ist wie ein Marathon und kein Sprint. Man braucht einen sehr langen Atem. Kevin und ich sind Ende 30, aber es kommt nicht drauf an, wann man den Einstieg schafft, sondern wie. Deine Entscheidungen hängen nur von dir ab. Alex’ Figur im Film ist Mitte 20, und sie setzt sich bereits einem unmenschlichen Erwartungsdruck aus. Als sie dann die Rolle für „Silver Scream“ angeboten bekommt, denkt sie, dass ihre Teilnahme darin von ihr abhängt, dabei ist es gar nicht mehr ihre freie Entscheidung. Beim ersten Ansehen wirkt STARRY EYES möglicherweise eher wie ein Horrorfilm, doch je öfter du ihn schaust, umso mehr bekommst du den Eindruck, ein richtig trauriges Drama zu sehen.

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DEADLINE: Bei der Realisation ihrer Projekte greifen immer mehr Regisseure auf Crowdfunding-Kampagnen zurück, auch durchaus populäre, wie etwa Rob Zombie. Was denkt ihr darüber? Ist es eher traurig, dass sie ohne diese Kampagnen nicht mehr ihre persönlichen Werke umsetzen können, oder ist es zu begrüßen, dass die Fans an der Entstehung der Filme beteiligt werden und darüber entscheiden können, was sie zu sehen bekommen?

 

Kevin Kölsch: Ich denke, es ist beides. Ich verstehe, dass du es einerseits traurig findest, aber das ist schwer zu sagen. Die Leute sagen: „Ey, dieser Rob Zombie ist doch eigentlich gar nicht auf so was angewiesen.“ Aber wir sind selber in dieser Industrie und sehen, wie schwer es auch für einen Künstler wie Rob Zombie ist, seine persönlichsten Filme umzusetzen. Dabei spielt es keine Rolle, was für eine glorreiche Vita er hat. Die Produzenten lesen sein Skript und lehnen es ab, da sie lieber den dritten oder vierten Teil von HALLOWEEN produzieren würden, obwohl ihm in diesem spezifischen Fall die Reihe sehr wohl am Herzen liegt. Man kann es kritisieren oder aber auch so sehen, dass Crowdfunding eine zusätzliche Option für Künstler und Publikum und die Verbindung zwischen ihnen darstellt.
Natürlich führen diese Vorgänge uns auch noch mal vor Augen, wie viele große Filmemacher inzwischen in Hollywood auf der Strecke bleiben, da die großen Produzenten die Blockbuster kleineren, persönlicheren Projekten vorziehen. Für diese Regisseure schüren derartige Kampagnen neue Hoffnungen.

Dennis Widmyer: Absolut.

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DEADLINE: Wie seid ihr auf Alex Essoe für die Hauptrolle gestoßen?

 

Dennis Widmyer: Bereits sechs Monate bevor der Film in die Produktion ging, haben wir einen Casting Director engagiert. Und dann sind wir einen sehr traditionellen Weg gegangen, mit Ausschreibungen in Magazinen, im Internet und Aushängen, und luden zum Vorsprechen ein. Für die Hauptrolle sprachen 50 bis 75 Frauen vor, und Alex machte sofort Eindruck auf uns, doch wir wollten sichergehen, dass sie auch auf lange Sicht in die Rolle passen würde und bereit wäre, die Transformation ihres Charakters mitzumachen. Wir luden sie erneut ein und baten sie, die Szene zu spielen, in der sie während des Vorsprechens nervlich zusammenbricht. Es war also eine Art Metavorsprechen für eine echte Rolle in einer Szene in einem Vorsprechen für eine fiktive Rolle. Wir wollten sehen, ob sie uns wirklich Angst machen könnte. Und das konnte sie. Damit hatte sie uns. Viele wollten die Rolle und meinten, sie wären bereit, alles dafür zu tun, aber nur wenige sind wirklich bereit, auch unangenehme und hässliche Parts wirklich überzeugt zu spielen. Wer zögert, verliert. Und Alex gefiel gerade diese Seite ihrer Figur.
Alex Essoe begriff, dass STARRY EYES eine große Chance für sie sein konnte, da sie in fast jeder Szene zu sehen ist. Sie ist das Mädchen von nebenan, das auf einmal zu einem Monster wird. Sie spielt den ganzen Bogen der Emotionen, von eins bis zehn.

 

DEADLINE: Nennenswert ist allemal auch der tolle Soundtrack von STARRY EYES, für den ihr Jonathan Snipes an Bord geholt habt. Schon sein Score für die SHINING-Doku ROOM 237 war großartig!

 

Dennis Widmyer: Zunächst wollten wir einen orchestralen Score für den Film. Doch dann schlug uns ein Freund, Jay Shaw, der auch das Poster und viele Logos und Designs im Film gemacht hat, vor, einen Synthesizer-Score zu verwenden. Kevin und ich waren zunächst nicht einverstanden, da wir nicht das Gefühl hatten, dass es zur Thematik des Films passen würde. Doch dann nahmen wir einige Tracks von ROOM 237 und legten sie über STARRY EYES, und es funktionierte fabelhaft! Sie brachten mehr Energie zum Film. Wir waren nicht sicher, ob wir Jonathan für den Film bekommen konnten, da er gerade dabei war, ziemlich bekannt zu werden. Aber wir haben einen gemeinsamen Freund, trafen uns durch ihn, zeigten ihm den Film, und er war begeistert mitzumachen, da es sein erster Spielfilm und damit auch eine Gelegenheit für ihn war. In aktuellen Horrorfilmen gibt es viel Stimmungsmusik, doch wir wollten ein wirklich einprägsames, melodisches Thema. Und er hat es genau getroffen, du spürst die Atmosphäre des Films auch, wenn du nur die Musik hörst. Bei der Premiere vor rund einem Jahr beim South by Southwest in Texas wurde unser Film gezeigt, und Waxworks Records war da und schloss sofort einen Deal mit uns ab, den Score zu veröffentlichen, auch auf Vinyl. Jeder liebte ihn bisher.

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DEADLINE: Du hast gerade selber kurz das Poster von STARRY EYES erwähnt, welches wirklich wunderschön geworden ist. Ist ein gutes Poster immer noch wichtig für einen Film? In den Sechzigern und Siebzigern waren sie stellenweise die Hauptbeweggründe, um ins Kino zu gehen. Euer Poster erinnert ein bisschen an den Stil aus diesen Tagen.

 

Dennis Widmyer: Ich bin mit Jay Shaw befreundet, und der hatte bereits einige Designs für die Webseite vom Autor von FIGHT CLUB, die ich betreibe, entworfen. Während der Kickstarter-Kampagne entwarf er ein schwarz-weißes Motiv für STARRY EYES für uns, was an die Spender ging. Es gefiel uns so sehr, dass wir ihn anflehten, auch das offizielle Poster zu machen. Es ist handgemalt, und er hat circa einen Monat dafür gebraucht. Normalerweise arbeitet er am Computer, aber dieses hat er nach langer Zeit mal wieder mit der Hand gemalt. Es gewann den Preis für das beste Poster auf dem South-by-Southwest-Festival. Natürlich wollten wir es auch auf den DVD- und Blu-ray-Veröffentlichungen hier in den USA haben, aber es gibt da dieses ungeschriebene Gesetz, dass sich klassische Motive nicht verkaufen. Dabei hat jeder, der das Poster gesehen hat, dann später zugegeben, dass es einer der Hauptgründe war, den Film zu sehen. Entsprechend sind wir sehr froh darüber, dass bei euch in Deutschland der Film auch mit dem originalen Artwork auf dem Cover erscheinen wird. Kevin hatte die Idee, dass wir für die USA wenigstens ein Wendecover haben, sodass die Fans trotzdem ihr Lieblingsmotiv haben können. Das ist toll, denn das Motiv ist so wichtig für den Film.

 

Kevin Kölsch: Ich verstehe teilweise die Firmen, dass sie sich für bestimmte Cover entscheiden. Leider gucken inzwischen schon sehr viele Filme nur noch online und klicken dazu auf ein kleines Symbol. Und da ist eben ein großes Gesicht als Cover einfach besser zu erkennen als ein aufwendig gestaltetes, handgemaltes Motiv. Jays Motiv würde da nur wie ein dunkler kleiner Fleck wirken, obwohl es natürlich in einem anderen Format genial aussieht. Das Wendecover ist da vielleicht ein ganz guter Kompromiss. Das Gesicht erregt Aufmerksamkeit im Laden, und zu Hause kann man dann den Film mit seinem Lieblingsmotiv ins Regal stellen.

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DEADLINE: Ich habe gelesen, dass in einer der letzten Szenen des Films einer der Regieassistenten von DER EXORZIST einen kleinen Auftritt hat. Stimmt das?

 

Dennis Widmyer: Ja, das ist Alan R. Green. Davon wussten wir aber gar nichts, bis zu dem Moment, als er am Set war. Man heuert eine ganze Reihe von Statisten an, worum sich meistens jemand von der Produktion kümmert, da Kevin und ich einfach zu viel um die Ohren haben. Wir hatten einen Nachtdreh auf einem Hügel bei Los Angeles, und da war dieser alte Mann im Anzug …

 

Kevin Kölsch: … ja, er sagte mir, dass er das Skript gelesen hatte und ihn die satanischen Elemente daran interessierten und er deswegen dabei sein wollte. Er macht so was öfter und würde sich bestimmt freuen zu hören, dass du diese Frage stellst, da er sicher sofort auch an IMDb-Trivia gedacht hat. (beide lachen)

 

Dennis Widmyer: Es war wirklich surreal. Diese älteren Menschen in ihren Anzügen, die durch den Matsch stampfen, und zwischen ihnen einer, der an einem der besten Horrorfilme aller Zeiten gearbeitet hat … Das fanden wir ziemlich cool und hatten großen Respekt vor ihm.

 

DEADLINE: Dennis, dir wird in den Thanks-Credits von JODOROWSKY’S DUNE gedankt. Wie ist das zustande gekommen?

 

Dennis Widmyer: Unser Produzent Travis Stevens hat auch JODOROWSKY’S DUNE produziert, und sie brauchten noch Außenaufnahmen der fünf großen Studios in Los Angeles, und das habe ich für sie gemacht. Die Doku ist großartig, also nehme ich das „Danke“ sehr gerne an.

 

DEADLINE: Vielen Dank, Jungs, für das schöne Interview, alles Gute!

 

Interview im März 2015 von Leonhard Elias Lemke geführt.