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Die Ruhe nach dem Sturm: So war es beim Amphi Festival

Über 16.000 Gothic Fans aus aller Welt reisten laut Veranstalter am 25. und 26. Juli 2015 nach Köln, um gemeinsam mit 45 Bands und Künstlern das Amphi Festival zu feiern. Das trug in diesem Jahr nicht nur ein schwarzes, sondern auch ein neues Gewand. Wir waren als Partner vor Ort und haben uns mit  Amphi-Pressesprecher Elmar Herrmann unterhalten.

Nach dem Jubiläum 2014 zogen die Veranstalter mit der elften Ausgabe des Amphis vom Tanzbrunnen auf das Gelände der Lanxess Arena, wo neben der Hauptbühne im Innenraum zwei Open Air Stages und Händlermeilen für Festivalfeeling sorgen sollten: der Amphi Eventpark. Viele der langjährigen Fans waren bereits im Vorfeld skeptisch; den Tanzbrunnen hatten viele trotz seiner zahlreichen Mängel ins Herz geschlossen. Dennoch werden die meisten Skeptiker zugeben müssen, dass sich mit dem nahenden Festivaltermin die übliche Vorfreude einstellte und die Neugier auf das neue Gelände wuchs. Bis zum harmonischen Aftermovie war es 2015 allerdings kein leichter Weg.

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„Es macht einen schon stolz ein so lange etabliertes Festival wie das Amphi noch einmal neu erfunden zu haben“, erzählt uns Amphi-Pressesprecher Elmar. Doch das neue Amphi hatte zunächst keine Chance auf einen gelungenen Einstand. Aufgrund einer amtlichen Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes für den Großraum Nordrhein-Westphalen untersagten die Behörden jegliche Open-Air-Veranstaltungen. Damit war das Amphi zum Auftakt am Samstag eine reine Hallenveranstaltung ohne jegliches Festivalfeeling geworden.

Quälend langsam schoben sich Besucher durch überfüllte Gänge. Das gemütliche Sehen und Gesehen werden des Amphis war damit so tot wie die „Death Comedy“ von DER TOD. Frustriert und mitleidig beobachtete man die geschlossen Stände im Außenbereich, wo sich viele der Versprechen aus dem Vorjahr befanden, etwa das ausgebaute Angebot an Speisen und Getränken. Musikalisch sah es derweil rosiger aus: CHROM sorgten zu früher Stunde für einen ersten Höhepunkt und ließen erahnen, welche Stimmung in der Halle möglich ist. Die beliebten RABIA SORDA sorgten im Anschluss für ein wenig unfreiwillige Komik, da ein wütend zertrümmertes Keyboard weiter munter vor sich hin spielte. Natürlich gehört Show immer dazu, aber offensichtliches Playback schmerzt, wenn auch nicht in den Ohren.

Amphi Festival - XRX
Parallel versuchte die Festivalorganisation, die im Außenbereich spielenden Bands in den Innenraum oder auf den Sonntag zu verlegen, was größtenteils, aber leider nicht mit allen Künstlern gelang. Neben den regulär geplanten Hallenacts wie AND ONE, FRONT 242, THE BIRTHDAY MASSACRE, GOETHES ERBEN, AGONOIZE oder THE CRÜXSHADOWS – die allesamt souverän Best-Ofs ablieferten -, wurden so kurzfristig DAF in das laufende Programm integriert. Dafür verdient das Amphi Dank und Respekt. „Einmal schwarz, immer schwarz“, schwörte AND ONE Rampensau Steve Naghavi das Publikum zum Abschluss des Samstags ein.

„Es war schon eine besondere Herausforderung, die obendrein noch dadurch verstärkt wurde, dass wir zum ersten Mal auf dem neuen Gelände waren und so erst gar keine Gelegenheit bekamen, eine Normalität für uns und die Besucher entstehen zu lassen“, erklärt Elmar die Situation. Die Facebook-Seite des Festivals versank trotzdem zunehmend im Erbrochenen fluchender Besucher, die sich nach einer Rückkehr zum Tanzbrunnen sehnten. „Nie wieder Amphi“ war regelmäßig zu lesen, bis Kritik zum Selbstzweck verkam. Dass die Lanxess Arena Glück im Unglück bedeutete, verstanden viele Festivalbesucher erst später. Denn während in der Region nahezu alle Open-Air-Veranstaltungen komplett abgesagt werden mussten (auch am Tanzbrunnen), konnte das Amphi nur aufgrund der neuen Location stattfinden.

Amphi Festival - Arena2
Dennoch müssen sich die Veranstalter Kritik gefallen lassen, etwa hinsichtlich der Kommunikation. Änderungen im Spielplan wurden bisweilen spät und unzureichend kommuniziert, dabei meist ausschließlich in Deutsch. Ärgerlich bei einem Festival, das regelmäßig mit seinem internationalen Publikum wirbt. Dass sich die Veranstalter mit konstruktiver Kritik auseinandersetzen, beweist das offizielle Nachwort zum Festival, das an eine Stellungnahme erinnert. Vorab hatte uns Elmar dazu seine Einschätzung gegeben.

„Die Kommunikation war ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist man natürlich bestrebt, Informationen so früh wie möglich an die Besucher weiterzugeben. Andererseits war es bis in die Abendstunden gar nicht möglichen eine verlässliche und finale Aussage zu treffen. Daher haben wir uns entschieden, alle Infos die feststanden in den Pausen über den Festivalmoderator direkt in der Halle ansagen zu lassen, da sich hinter den Kulissen regelmäßig die Running Order änderte und auch die Wetterinformationen bis nach 19 Uhr keinen endgültigen Aufschluss gaben, ob die Open-Air-Bühnen vielleicht doch noch einmal hätten geöffnet werden können.“ Zugegebenermaßen kein leichter Job für das Amphi-Team. Denn bis eine Information auf der Bühne kommuniziert wird, müssen Grafiken vorbereitet, Texte geschrieben, Monitorclips geschnitten und die Moderatoren versorgt werden.

Als klarer Erfolg kann schon jetzt die Hauptbühne in der Arena bewertet werden. Ja, der Sound war nicht immer gut, in den Umbaupausen war es sicher zu dunkel. Auch dass einige Besucher auf den Sitzrängen nach Verlassen des Platzes bei den Headliner-Shows nicht mehr eingelassen wurden, ist nicht sonderlich fair, wenn nicht unverschämt. Aber mangelnde Atmosphäre darf man der Hauptbühne nicht vorwerfen. Im Gegenteil!

Für die Bands der Szene, die selten bis nie in einer derartigen Location spielen, war die Bühne ebenfalls eine besondere Gelegenheit. “So ist das bei einem DEPECHE MODE Konzert”, scherzte Ronan Harris von VNV NATION, deren Auftritt am Sonntag das Prädikat Gänsehaut verdiente.

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Und dann: Sonne. Zum zweiten Festivaltag am Sonntag spielte das neue Gelände seine Vorzüge aus und sorgte für glückliche Gesichter. Neben der Hauptbühne in der Halle sorgten nun Green Stage – dort spielten unter anderem DIORAMA, DARKHAUS, ZERAPHINE, WELLE:ERDBALL, SAMSAS TRAUM und leider im Regen Headliner DIARY OF DREAMS – und Orbit Stage – mit THE CREEPSHOW und ROME – für Abwechslung, dazu kamen Händlerstände und eine Chill-Out Area mit Liegestühlen und Sitzsäcken. Pressesprecher Elmar resümiert nicht ohne Stolz: “Den wetterbedingt aus dem Rahmen gefallenen Samstag mal außen vor gelassen, war es schon ein besonderes Gefühl das neue Gelände zum ersten Mal in Aktion zu erleben und zu sehen, wie sich die Stimmung auf dem Gelände entwickelte und was bei den einzelnen Konzerten vor der Bühne passierte.”

Amphi Festival - Green Stage 2out2
Bevor die Halle am Sonntag von VNV NATION erobert wurde, beschallten unter anderem DAS ICH, COMBICHRIST, OOMPH! und THE MISSION das Publikum. Die Dark Wave Dauerbrenner DAS ICH wirkten auf der großen Bühne ein wenig verloren, die Stimmung war dennoch gut (“Wollt ihr Gottes Tod hören” – “Jaaaaaaaaaaaaaaaa”). COMBICHRIST scheißen wie erwartet auf die Vorlieben der meisten (alten) Fans und hauen zum Start ausschließlich neue, rockige Songs in die Menge, sodass sich erst gegen Ende des Auftritts Euphorie in der Halle einstellt. OOMPH!, deren Bühnendekoration noch der vergangenen “Des Wahnsinns fette Beute” Tour folgt, spielen ein recht poppiges Set, hatten dafür aber zwei EBM Klassiker vom ersten Album dabei und entfesseln sogar eine winzige Moshpit. “Es geht ja noch!” schreit ein älterer Fan, während ihm der Schweiß über das Gesicht läuft.

Wer das Line-Up des Amphis betrachtet, wird wie bei vielen anderen Festivals stetige Wiederholungen feststellen. Laut Veranstalter stammen rund 80 Prozent der Bands aus den Wünschen der Besucherumfragen. Auch Pressesprecher Elmar wünscht sich mehr Abwechslung: “Wiederholungen sind aufgrund der Vielzahl an Festivals und einem begrenzten Pool an Bands vor allem im Bereich des oberen Mittelfelds und der Headliner geradezu zwangsläufig. Das ist generell eine kritische Entwicklung in der Szene. Es kommen leider sehr wenig Bands nach, die das Potenzial haben auf einer großen Bühne zu bestehen und noch dazu vom Publikum angenommen werden. Aus diesem Grunde probieren wir gerne mal vielversprechende Künstler aus, die ein wenig abseits der üblichen Festivalrotation stehen oder greifen auf Bands zurück, die noch nie beim Amphi Festival zu sehen waren. Dieses Maß an Abwechslung liegt uns sehr am Herzen. Wir versuchen natürlich die Wiederholungen so gering wie möglich zu halten doch es wird von Jahr zu Jahr schwieriger.”

Amphi Festival - Green Stage 4

Zum Einstand musste das neue, alte Amphi 2015 höherer Gewalt und noch mehr Skepsis trotzen – und hat es geschafft, einem bewährten Konzept interessante Nuancen zu verleihen. Für das nächste Jahr haben die Veranstalter bereits versprochen, sich der organisatorischen Startschwierigkeiten des Reboots anzunehmen. Insofern dürfte es dann auch 2016 heißen: “Alles wird Amphi”. Der Vorverkaufsstart hat bereits begonnen und schon jetzt sind die Early Bird Tix ausverkauft. Das spricht für das neue Gelände.

Unter den bereits bestätigten Bands und Künstlern befinden sich NEUROTICFISH, DER FLUCH und THE DEVIL & THE UNIVERSE, die ihre der Sturmwarnung zum Opfer gefallenen Auftritte nachholen werden. Auch [X]-RX, die unter den gegebenen Umständen nur ein verkürztes Set spielen konnten, sind 2016 wieder mit dabei. Daneben gehören SUICIDE COMMANDO, PETER HEPPNER, JOACHIM WITT, STAHLZEIT, AESTHETIC PERFECTION, SOLITARY EXPERIMENTS, SOLAR FAKE, UNZUCHT, COPPELIUS, XOTOX und XMH zum Line-Up.

Wenn das Amphi ein Film wäre – welcher wäre das und warum, haben wir Elmar abschließend gefragt: “Es wäre vermutlich eine Mischung aus einem interstellaren Roadmovie und Christopher Nolan’s BATMAN.

(Christian Daumann)

 

Tickets für das Amphi 2016 am 23. und 24. Juli sind auf www.amphi-shop.de erhältlich.

Fotos ©Patrick Beerhorst/BeerhorstPhoto