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Regie: Simon Verhoeven / D 2016 / 92 Min.
Darsteller: Alycia Debnam-Carey, Brit Morgan, William Moseley, Connor Paolo, Brooke Markham, Sean Marquette, Liesl Ahlers, Susan Danford
Produktion: Quirin Berg, Max Wiedemann
Freigabe: FSK 16
Veleih: Warner Bros.
Start: 07.01.2016

 

 

Aktuellen Studien zufolge sollen sich spätestens im Jahr 2060 mehr tote als lebendige User im sozialen Netzwerk Facebook tummeln. Schon heute gehören über 30 Millionen Accounts solchen, die das Zeitliche längst gesegnet haben. Nachdem sich bereits vor einigen Monaten Leo Gabriadzes innovatives Found-Footage-Projekt UNKNOWN USER (der übrigens nur aus purem Zufall zeitgleich mit UNFRIEND entstand) der gruseligen Konfrontation von Tod und Internet widmete, nähert sich der deutsche Regisseur und Schauspieler Simon Verhoeven dem Thema nun von einer anderen Seite. Sein visuell faszinierend aufbereitetes Spukstück beleuchtet die Verschmelzung unseres Online-Ichs mit dem Real Life und rückt im Besonderen eine Tat in den Mittelpunkt, die, auf das Wesentliche heruntergebrochen, nichts anderes beschreibt als die abrupte Beendigung einer (virtuellen) Freundschaft. Ebenjener moderne Begriff des „Entfreundens“, der erst in den letzten Jahren in unseren Wortschatz eingegangen ist, dient zugleich auch als Titel: UNFRIEND. Es ist ein Phänomen der Moderne, das mit dafür verantwortlich ist, dass sich die heutige Kommunikation grundlegend verändert hat. Denn früher, da ließ sich ein Kontakt, geschweige denn eine Freundschaft nicht auf Knopfdruck beenden. Mittlerweile besitzt hingegen genau dieser rigorose Schritt das Potenzial dazu, dunkle Abgründe innerhalb der menschlichen Seele offenzulegen.

Unfriend
Die beliebte Studentin Laura (Alycia Debnam-Carey) führt ein zufriedenes College-Leben. Sie hat einen liebevollen Freund, ihre Clique hält fest zusammen, und ihre Noten sind nicht die schlechtesten. Eines Tages nimmt sie unbedarft die Facebook-Freundschaftsanfrage ihrer geheimnisvollen Kommilitonin Marina (Liesl Ahlers) an. Das dunkelhaarige Mädchen, das sich stets in die hinterste Ecke des Hörsaals verzieht, gibt sich fortan ganz der Obsession hin, in Laura eine beste Freundin gefunden zu haben, muss jedoch enttäuscht feststellen, dass ihre Gefühle nicht erwidert werden. Zum Entsetzen aller begeht sie Selbstmord und hält diese schreckliche Tat mit ihrer Webcam fest. Während sich Laura und ihre Freunde langsam von diesem Schrecken erholen, entwickelt das Facebook-Profil von Marina ein merkwürdiges Eigenleben. Marina ist – im wahrsten Sinne des Wortes – nicht totzukriegen. Nach und nach schwinden nicht nur die Anzahl von Lauras virtuellen Kontakten, sondern auch ihre eigenen Überlebenschancen …

Unfriend

Wenngleich sich die mittlerweile insgesamt vier Filme des 43-jährigen Filmemachers in ihrer Thematik zum Großteil unterscheiden, so eint sie doch allen voran die äußerst genaue Beobachtungsgabe im Hinblick auf bestimmte Gesellschaftsgruppen. War es in seinem unter Ausschluss der Öffentlichkeit gelaufenen Debüt 100 PRO – HEUTE NACHT GEHT WAS noch das Münchner Nachtleben und seine Genießer, deren Eigenheiten der Regisseur mit einem Augenzwinkern hervorzukehren wusste, drehte sich in den Kassenschlagern MÄNNERHERZEN sowie der Fortsetzung MÄNNERHERZEN UND DIE GANZ, GANZ GROSSE LIEBE alles um das Seelenleben unterschiedlicher Männertypen. Mit UNFRIEND begibt sich Simon Verhoeven nun erstmals auf Horrorfilmterrain. Sein genauer Blick für Details, denen im Alltag kaum mehr einer Beachtung schenkt, findet sich jedoch auch hier wieder. Verhoeven gelingt mit seinem Genredebüt nicht nur ein sehenswerter Gruselschocker. Gerade zwischen den Zeilen ist UNFRIEND, der zu internationalen Vermarktungszwecken auf Englisch gedreht wurde, eine interessante Studie über unsere modernen Kommunikationsgewohnheiten, in der Praktikabilität und Risiko wie selbstverständlich Hand in Hand gehen.

Unfriend

Gerade im Horrorsegment hat es sich im Laufe der Jahre eingebürgert, Figuren lediglich am Reißbrett zu entwerfen. Die Charaktere reichen selten über altbewährte Modelle hinaus: Da gibt es den Gelehrten, den Athleten, die Hure, den Narren und die Jungfrau, die wiederum in den meisten Fällen zum Final Girl avanciert. In UNFRIEND sieht das Ganze ein wenig anders aus. Das Skript (Matthew Ballen, Philip Koch, Simon Verhoeven) zeichnet die Protagonisten-Clique als Querschnitt durchschnittlicher College-Studenten und verzichtet dabei auf die Verwendung von Stereotypen. Sämtliche Figuren sind mit einer angenehmen Bodenhaftung ausgestattet, besitzen weder Modelmaße noch karikatureske Spleens.