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THE EQUALIZER-INTERVIEW MIT DENZEL WASHINGTON UND ANTOINE FUQUA

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HÖR MAL, WER DA HÄMMERT!

IM INTERVIEW MIT ANTOINE FUQUA

 

Nachdem er einige Musikvideos für Toni Braxton, Usher und andere akustische Fremdschämattacken inszenierte, machte Regisseur Fuqua seinen ersten Spielfilm, den durchaus brauchbaren THE REPLACEMENT KILLERS – DIE ERSATZKILLER. Spätestens mit dem packenden und zu Recht hochgelobten Thriller TRAINING DAY ist jedoch klar, dass mit Antoine Fuqua zu rechnen ist, wenn es um solides Actionkino geht. Wir trafen den Regisseur, um mit ihm über seinen neuen Film THE EQUALIZER zu sprechen.

 

 

Antoine Fuqua:

Wie geht’s?

 

DEADLINE:

Ich bin etwas verstört, nachdem ich THE EQUALIZER gerade zum Frühstück gesehen habe …

 

Antoine Fuqua:

Oh, wie nett. (lacht) Das ist nicht fair …

 

DEADLINE:

Mit TRAINING DAY hattest du Denzel Washington ja viel Gutes getan, er bekam seinen zweiten Oscar und wurde gleichzeitig auch als Actionstar akzeptiert. Was hat dich dazu gebracht, aus der Fernsehserie DER EQUALIZER einen Film zu machen?

 

Antoine Fuqua:

Der Produzent Todd Black hat die Sache ins Rollen gebracht, aber eigentlich hat Denzel mich angerufen und gesagt, dass er Robert McCall (die Hauptfigur in des Films, Anm.) spielen würde. Ich kannte die Serie vom Namen, hatte sie aber nie gesehen, ich hab mehr so Zeug wie MIAMI VICE geschaut, THE EQUALIZER haben sich eher meine Mutter und meine Oma angesehen. (lacht) Aber als ich hörte, dass Denzel die Rolle spielt, wurde es für mich interessant. Als ich zugesagt hatte, war das also hauptsächlich seinetwegen.

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DEADLINE:

Ich hatte die Serie auch nicht mehr in Erinnerung, aber es gefiel mir sofort, dass Denzel die Rolle sehr ruhig und geduldig angelegt hatte, fast ein makelloser Mann, außer wenn er tötet, natürlich. Was steckt im Kern dieser Figur?

 

Antoine Fuqua:

Der Kern der Figur? Interessant … Nun, eigentlich hatte er viele Makel, aber er verdeckt sie mit seiner Ruhe. Er ist eine eher introvertierte Figur, während Alonso, Denzels Figur in TRAINING DAY, definitiv extrovertiert war, er redete viel, war sehr lebhaft. Robert McCall sucht mehr seinen Frieden, er ist an einem Punkt in seinem Leben, wo er so viel gesehen hat, dass er innere Ruhe sucht, seinen Platz im Leben. Er lebt in einer Halbwelt, wo er nachts nicht schlafen kann, weil ihn sein wahres Ich nicht ruhen lässt. Er ist ein Mann, der sich im Chaos wohlfühlt, während die meisten von uns sich im Frieden wohlfühlen. Frieden ist für ihn sehr schwierig, also braucht er Ordnung, seine Zwangsstörung beginnt zu tragen, und alles muss perfekt sein, er lebt fast wie ein Mönch. Er lebt tagsüber ein engagiertes Leben, aber wie wir alle hat auch er eine geschäftliche und eine private Seite. An dieser sieht man, wie er wirklich ist: Er lebt alleine, er ist ausgeschlossen, er isst alleine und macht alles mit Blick auf die Zeit. Die Idee dahinter war, dass er ein Mensch ist, der Ordnung braucht, weil etwas anderes in ihm steckt, vor dem er Angst hat.

 

DEADLINE:

Wie habt ihr die großartigen Kampfszenen gedreht?

 

Antoine Fuqua:

Für mich lag die Herausforderung darin, Kampfszenen zu drehen, ohne dabei die Erzählung zu vernachlässigen. Actionszenen kann man auf viele Arten drehen und schneiden, um sie spannend zu machen. Aber mit einem tollen Darsteller wie Denzel wollte ich nicht sein „Spiel“ durch die Action verlieren. Manchmal haben wir das so gemacht, dass die Kamera wie eine weitere Figur der Szene ist, sodass man wirklich nahe dran ist. Man wackelt dann auch nicht mit der Kamera rum, sondern nutzt einen eher klassischen Stil des Filmemachens, wie bei einem Western: Da siehst du einen Typen, das Gesicht, den Revolver oder wie hier einen Korkenzieher. (lacht) Man lässt sich also Zeit, ihm ohne Eile zuzusehen. Auch das sagt etwas über seinen Charakter aus. Um deine Frage zu beantworten: Die Actionszenen waren für mich sehr schwer zu drehen, weil ich sie informativ machen wollte und nicht nur actionreich. Und so bewegt sich die Figur von ruhig und penibel hin zu nur brutal und kalt.

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DEADLINE:

Ich würde Robert McGill jetzt nicht als brutal bezeichnen, eher als effektiv.

 

Antoine Fuqua:

Er benutzt den geringsten Energieaufwand, so, als ob seine Gegner nicht mehr Mühe wert sind. Menschen, die in „seiner“ Branche arbeiten, sind mal mehr, mal weniger brutal, aber ihr Ziel ist es, die menschliche Anatomie zu lernen. Sie wissen, wie zerbrechlich wir sind, sie kennen die Nerven. Sie schütteln dir die Hand, drücken auf einen bestimmten Nerv, und du gehst in die Knie. Solche Individuen sind sehr effizient, wenn man so will.

 

DEADLINE:

Apropos knien: Du meintest, Robert McGill hätte etwas Mönchartiges. Ist das auch Grund, warum er keine Feuerwaffen benutzt?

 

Antoine Fuqua:

Nein, tut er nicht, das war eine bewusste Entscheidung von mir, Denzel und den Produzenten. Feuerwaffen sind „einfach“, du drückst ab, fertig. Noch dazu gibt es eine große Kontroverse über den Schusswaffenbesitz, und außerdem langweilen sie mich. Da steckt kein Spaß dahinter. Robert McGill versucht auch, mit einem Batzen Geld bei seinen Gegnern sein Ziel zu erreichen, er geht also nicht hin mit dem Ziel zu töten, nicht wie bei Selbstjustiz. Er bietet Geld und möchte ein Geschäft machen, und erst dann entsteht die Gewalt. Die Idee dahinter war: Was ist, wenn unser Held Feuerwaffen nicht mag? Er hat so viel Erfahrung mit diesen Dingern, dass er lieber darauf verzichtet. Und er ist mehr als talentiert darin, mit seinen bloßen Händen zu töten oder etwa auch mit einem Buch. Auch für uns als Filmemacher war das eine Herausforderung: Was gibt es da noch für „interessante“ Methoden?

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DEADLINE:

War es lustig, die Kampfszenen mit solchen selbst auferlegten Einschränkungen zu drehen?

 

Antoine Fuqua:

Klar, es macht immer auch Spaß. Ich bin mit Western und Horrorfilmen aufgewachsen, man fühlt sich beim Drehen solcher Szenen wie ein Kind im Sandkasten, das mit Spielzeugsoldaten spielt. Das Vergnügen daran war nicht das blutige Töten selbst, sondern dass es informativ bleibt und etwas über McCall aussagt. Was sagt es über eine Person aus, wenn sie das Kinn ihres Gegners hochhält und ihm in die Augen blickt, während dieser stirbt? Was für ein Mensch tut so etwas? Ich kenne niemanden, für den das normal wäre. McCall schläft dadurch sogar besser. Also sagt das viel über seine Figur aus. Das Konzept dahinter war: Wäre es eine reine Dialog- und keine Actionszene, was sagte sie aus über diesen Mann? Das zu machen war der Spaß dahinter. Und es ist natürlich auch immer lustig für mich, Denzel zuzusehen, wie er sauer wird (lacht), das mach ich einfach gerne.

 

DEADLINE:

Wie kam es zu der Idee, dass der Held in einem Baumarkt arbeitet, THE EQUALIZER sieht ein bisschen aus wie HÖR MAL, WER DA HÄMMERT ab 18?

 

Antoine Fuqua:

(lacht) In so einem Laden gibt es eine Menge „Waffen“, es stand zwar im Drehbuch, aber nicht detailliert. Ich bin mit einigen Typen von einer Spezialeinheit durch den Laden gegangen und hab gefragt: „Was würdet ihr tun?“ Und der Laden war wie ein Bonbongeschäft für sie. Denn auch wenn man nicht dran denkt, fast alles dort hat scharfe Klingen oder Kanten. Heckenschneider, Bohrer, alles Waffen, man kann Bomben basteln mit dem Zeug dort. Es ist unglaublich, was man damit machen kann, und es ist alles in deinem nächsten Baumarkt. (lacht) Ich hab die Spezialeinheit also gefragt, was sie tun würden, wie sie improvisieren. Sie sagten: „Du kannst ein Hundehalsband benutzen, um deinen Gegner von oben zu fassen und zu erhängen.“ Und ich dachte mir nur: Wer denkt schon an so was? (lacht) Aber sie tun’s. Es war erstaunlich zu sehen, wie sie denken, weil es etwas ist, was diese Männer und Frauen jeden Tag tun. Es ist wirklich interessant, man kann mit einem Geschirrspülmittel eine Bombe basteln, natürlich braucht man dann noch weitere Sachen …

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DEADLINE:

Wenn man im Chemieunterricht bloß aufgepasst hätte …

 

Antoine Fuqua:

Aber so etwas machen diese Leute. Wenn man darüber nachdenkt, ist es schon beängstigend. Und Robert McCall ist ein Mann, der sein ganzes Leben so gelebt hat.

 

DEADLINE:

Ich dachte auch, als er den Honig gekocht hat, das wird sicher wieder eine Bombe, aber er benutzt ihn nur, um Wunden zu versorgen.

 

Antoine Fuqua:

Wer wusste das schon, aber es ist ein spezieller Honig, ein sehr bitterer, kein süßer. Siehst du, er ist also sehr speziell.

 

DEADLINE:

Der Ort, wo die „bösen“ Russen sich aufhalten, hat mich an die Ausstattung von TÖDLICHE VERSPRECHEN erinnert, mit diesem Faible für alles Goldene.

 

Antoine Fuqua:

Wir haben den Raum extra gebaut, das Konzept dahinter war, dass er wie eine Kirche aussehen sollte. Du erinnerst dich da vielleicht an dieses religiöse Bild der Jungfrau Maria? Das lag daran, dass es für mich wie eine Kirche ist. Ein Ort, den sie erobert haben, der fast ein gotisches Flair hat. Die wirkliche Inspiration für diese Szene war der Maler Caravaggio mit seiner Art, Farben einzusetzen.

 

DEADLINE:

Danke für das Gespräch!

 

Antoine Fuqua:

Gerne! Und sorry wegen des harten Frühstücks. (lacht)

 

 

Interview geführt von Patrick Winkler

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