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(OT: FURY)
Regie: David Ayer / UK, China, USA 2014 / 134 Min.
Darsteller: Brad Pitt, Shia LaBeouf, Logan Lerman, Michael Pena, Jon Bernthal, Jim Parrack, Brad William Henke, Xavier Samuel
Produktion: David Ayer, Bill Block, John Lesher
Verleih: Sony Pictures Germany
Freigabe: FSK 16
Start: 01.01.2015

 

PRO!
Von Patrick Winkler
Deutschland, April 1945. Die Alliierten sind auf dem Vormarsch nach Berlin, das „Dritte Reich“ hält mit allem, was ihm zur Verfügung steht, dagegen. Unter die letzten fanatischen Kämpfer mischen sich auch die Menschen des „Volkssturms“: Zivilisten jeden Alters, die von Hitler aufgerufen sind, um jeden Meter und mit allen Mitteln gegen den „Feind“ zu kämpfen. Wer sich weigert, wird oft öffentlich erhängt und noch im Tod mit Schildern gedemütigt, die auf das „Verbrechen“ („Ich wollte nicht, dass meine Kinder für den Führer kämpfen“) hinweisen.

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Mitten in diesem Chaos steckt auch die Panzerbesatzung des Sherman-Tanks Fury (so auch der zugegebenermaßen schwer zu übersetzende Originaltitel des Films) der US-amerikanischen 2nd Armored Division, auch freundlich „Hell on Wheels“ getauft. Auch sie haben sich ermunternde Namen gegeben, wie „Wardaddy“ (Brad Pitt), „Bible“ (Shia LaBeouf), „Coon-Ass“ (Jon Bernthal) oder „Gordo“ (Michael Peña), sind sie doch die Letzten ihrer Einheit. Ihnen wird der unerfahrene Schreibtischhengst Norman (zurückhaltend und überzeugend dargestellt von Logan Lerman, sonst eher mit Teenie-Kram wie PERCY JACKSON zugange) zugeteilt, der ihren getöteten zweiten Panzerfahrer ersetzen soll. Norman wird so auch zur Identifikation für den Zuschauer. Über ihn lernen wir nicht nur die anderen Soldaten der Einheit kennen, sondern erfahren auch, was es heißen kann, unvorbereitet in den Krieg geschickt zu werden.

Denn „Wardaddy“ führt seine Mannschaft zu ihrem eigenen Schutz mit rauer Hand, jeder Fehler eines Einzelnen kann alle das Leben kosten. Als Norman zögert, einen Hitlerjungen zu erschießen, der daraufhin einen anderen Panzer mit einer Granate zur Explosion bringt, zwingt „Wardaddy“ ihn dazu, einen unbewaffneten Kriegsgefangenen zu töten.

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Auch wenn es in diesem Moment unmöglich scheint, dass Norman je ein funktionierender Teil der Fury-Besatzung wird, so passt er nach und nach ins Gefüge, auch weil weitere Kampfhandlungen ihm selbst die Willkür von Leben und Tod im Chaos des Krieges klarmachen. Als ihr Sherman-Panzer im großen Finale von HERZ AUS STAHL alleine 300 SS-Leuten gegenübersteht, ist Norman sein eigenes Leben nicht mehr wert als das jedes anderen im Panzer.

Wer nun Angst hat, die Story von fünf ungewaschenen Kerlen in einem Panzer auf einem Acker könnte zu einem Kammerspiel werden, der kann beruhigt sein: Zwar werden die Situation der fünf Soldaten, ihre Hintergründe und unterschiedlichen Charaktere ausführlich beleuchtet. Das spielt sich aber großteils außerhalb des Gefährts ab. In einer Schlüsselszene lassen sich die Herren in einem zerbombten Dorf bei zwei Frauen nieder, die keine andere Wahl haben, als sich dem Willen des unerwarteten Besuchs zu beugen. Doch die unterschiedlichsten Motive der fünf (essen, waschen, Klavier spielen, vergewaltigen, beten) sorgen für genügend Spannungen und sind fernab vom Bild des (west-)alliierten Soldaten, der, so kurz vor Kriegsende, vielleicht „nur“ der Befreier mit dem Kaugummi ist. Und so sehr man den einen oder anderen von ihnen in manchen Szenen auch hassen mag, spätestens wenn sie im Bauch des Panzers wieder vereint kämpfen, sind sie eine bedingungslos loyale Einheit.

Auch in ihrer Darstellung haben sich die Schauspieler wenig geschenkt: Shia LaBeouf hat sich wohl für seine Rolle extra einen Zahn gezogen (nehmen wir das auch als Buße für seine öffentlichen Aussetzer in den letzten Jahren) und wochenlang nicht geduscht und ist in der Tat genauso überzeugend wie Jon Bernthal (THE WALKING DEAD), der den Südstaaten-Proll gibt, während Michael Péna als US-Soldat mit lateinamerikanischen Wurzeln uns daran erinnert, dass HERZ AUS STAHL in erster Linie kein hyperrealistisches Kriegsdrama, sondern ein Actionfilm ist. Denn Regisseur David Ayer (der auch das Drehbuch schrieb) achtet – wie in seinen letzten Werken (END OF WATCH, SABOTAGE) – darauf, wie neben all dem Geballer seine Figuren abseits von One-Linern und öligen Muskeln zueinander stehen.

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Und auch wenn man es zwischen dem Schmollmund seiner Frau, seinem Charity-Getue und seinem Image als feuchter Traum jeder Hausfrau 40+ vergisst: Brad Pitt kann auch spielen und überzeugt darin, die Führung nicht nur über das Blechgefährt, sondern auch über den ganzen Film zu übernehmen.

Wer nicht so sehr auf den gestählten nackten Oberkörper des 51-Jährigen steht, für den werden die ausgeklügelt choreografierten und toll gefilmten Kampfszenen oft genug für Atemnot sorgen: Etwa wenn ein einziger deutscher Tiger-Panzer den Alliierten das Leben schwer macht und nur ein gut überlegtes und waghalsiges Manöver des Shermans den Tod aller verhindern kann, dann könnte das auch als Basis für ein Lern-Seminar eines Ballett-Ensembles herhalten.

Aber das tut dem Anspruch, den HERZ AUS STAHL durchweg besitzt, keinen Abbruch. Anstatt sich an Weltkriegs-Meisterwerken wie DER SOLDAT JAMES RYAN zu messen, verfolgt Ayer mit seinem Film einen anderen Ansatz: Neben der Frage nach dem Sinn von Krieg und dem Wert von Leben inmitten eines tödlichen Chaos ist sein Film auch eine Allegorie des modernen Amerika:

Die Helden des Films verlassen ihre „rollende Rüstung“ kaum: Sie „arbeiten“ nicht nur darin (und bezeichnen es als „besten Job, den sie jemals hatten“), sie essen darin und gehen darin aufs Klo. Sie reden über ihre Ängste und Sehnsüchte und trinken dabei auch gerne mal einen über den Durst. Sie sind nur zögerlich bereit, sich für das, was sich außerhalb seines schützenden Stahls abspielt, zu interessieren, es sei denn, es ist zu ihrem Vorteil. Allem anderen wird erst mal misstrauisch gegenübergetreten; die Möglichkeit, dass unter den kämpfenden „Feinden“ da draußen nicht nur fanatische Mörder sind, wird nur nach deutlicher Prüfung in Erwägung gezogen.

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Diese Mischung aus packender Action, die durchgehend spannend und glaubwürdig inszeniert ist, und der richtigen Menge Hirn macht HERZ AUS STAHL zu einem Film, der alles bietet, was das … ähem … Actionherz begehrt: Szenen, bei denen es einen aus dem Kinosessel heraushebt (ohne mit 3D zu „schummeln“), knackige Sprüche („Ideale sind friedlich, Geschichte ist gewalttätig“) und Momente, in denen der Anspruch nicht zu kurz kommt. Summa summarum: Wenn man es auf der Leinwand gerne physisch mag und auch „Moral“ buchstabieren kann, ist HERZ AUS STAHL einer der spannendsten und intensivsten Kinomomente des Jahres. Wie formulierten es RAMMSTEIN doch mal so schön poetisch:

Feuer frei!

Brad-Pitt-Herz-aus-Stahl-Poster